Spassky spielt Königsgambit!

von Johannes Fischer
30.01.2024 – Am 30. Januar feiert Boris Spassky, Weltmeister von 1969 bis 1972, seinen 87. Geburtstag. Spassky gilt als universeller Spieler und hat im Laufe seiner Karriere zahlreiche fantastische Angriffspartien gespielt. Eine seiner Lieblingseröffnungen mit Weiß war das Königsgambit, mit dem er Spieler wie David Bronstein, Bobby Fischer, Yasser Seirawan und Anatoly Karpov geschlagen hat. | Foto: Boris Spassky, Schacholympiade Saloniki 1984 | Foto: Gerhard Hund

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Die ChessBase Megadatenbank enthält 29 Partien mit klassischer Bedenkzeit, in denen Spassky mit Weiß das Königsgambit probiert hat, 15 davon hat er gewonnen, 14 endeten Remis, verloren hat er mit dieser zweischneidigen, riskanten Eröffnung kein einziges Mal.

Spasskys lebenslange Leidenschaft für das Königsgambit geht wohl auf seinen ersten Trainer zurück, den Leningrader Meister Vladimir Zak, der ein begeisterter Anhänger dieser Eröffnung war und seine Leidenschaft für das Königsgambit in einem Buch verewigt hat.

Spasskys erster Weißsieg im Königsgambit, den die ChessBase Megadatabase aufführt, gelang ihm 1955 gegen Yuri Averbakh im Finale der Sowjetischen Meisterschaft.

Spassky, Boris Vasilievich1–0Averbakh, Yuri L
URS-ch22 Final
Moscow26.02.1955[Johannes Fischer]
1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Nf3 Ne7 4.Bc4 d5 5.exd5 Nxd5 6.0-0 Be7 7.d4 c6 8.Nc3 0-0 9.Ne5 Be6 10.Bxf4 f6 11.Bxd5 cxd5 12.Nd3 Bf7 13.Qg4 Kh8 14.Bxb8?! Überraschend, unkonventionell, aber nicht wirklich gut. Besser war 14.Rae1 Nc6 15.Bg3 mit ungefährem Ausgleich. 14...Rxb8 15.Rae1 Re8 16.Ne5
16...Rf8? Jetzt geht das Konzept des Weißen auf. Nach dem ruhigen Rückzug 16...Bg8 hat Weiß jedoch keine vielversprechenden Angriffsmöglichkeiten und muss um den Ausgleich kämpfen. 17.Nxf7+ Rxf7 18.Qe6 Kg8 19.Nxd5 Weiß hat einen wichtigen Zentralbauern gewonnen und steht auf Gewinn. Bf8 20.Re4 Bd6 21.c4 b6 22.b4 Qf8 23.c5 bxc5 24.bxc5 Bxc5 25.dxc5 Qxc5+ 26.Kh1 Rd8 27.Ne7+ Kf8 28.Nc6 Qb5 29.Rfe1
1–0

Bereits in dieser Partie zeigte sich ein Muster, das sich in vielen der späteren Partien, die Spassky mit dem Königsgambit gespielt hat, zeigen sollte: In der Eröffnung stand Spassky mit Weiß etwas oder sogar deutlich schlechter, aber im Mittelspiel zeigte sich, dass er die Stellungen besser verstand und besser behandelte als seine Gegner.

Ein sehr typisches Beispiel für einen solchen Partieverlauf liefert Spasskys Sieg gegen Semyon Furman, den späteren Trainer von Anatoly Karpov, im Halbfinale der Sowjetischen Meisterschaften 1959. Beim Kampf gegen den als solide geltenden Furman erlaubte sich Spassky eine kleine Provokation: Er griff zum Steinitz-Gambit und ging schon im vierten Zug mit seinem König auf Wanderschaft. In der irrationalen Stellung, die so entstand, fand er sich besser zurecht als sein Gegner.

Spassky, Boris Vasilievich1–0Furman, Semen Abramovich
URS-ch27 Semifinal
Tallinn1959[Johannes Fischer]
1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Nc3 Das Steinitz-Gambit, benannt nach Wilhelm Steinitz, dem ersten offiziellen Weltmeister der Schachgeschichte. Steinitz war der Überzeugung, dass der König eine "starke Figur" ist und deshalb von Anfang an beim Kampfgeschehen dabei sein sollte. Mit 3.Sc3 lädt Weiß Schwarz dazu ein, den weißen König ins Freie zu treiben. Weiß hofft, durch Angriffe auf die durch das frühe Schach exponierte Dame Zeit zu gewinnen, um seine Figuren zu entwickeln. Der weiße König, so die Idee, sollte durch die weißen Zentrumsbauern ausreichend geschützt sein. Qh4+ 4.Ke2 d5 Schwarz gibt seinen Mehrbauern zurück, um Linien zu öffnen und seine Figuren schnell zu entwickeln. 5.Nxd5 Bd6 6.Nf3 Bg4 7.d4 Nc6 8.e5 0-0-0 9.Bxf4 Nach 9.exd6 nimmt Schwarz einfach mit dem Turm zurück und hat mehr als genug Kompensation für die geopferte Figur. Rxd6 10.Kd2 10.c4 Nf6 11.Bxf4 Rxd5 12.cxd5 Bxf3+ 13.gxf3 Re8+ 14.Kd2 Nxd5 15.Bg3 Qg5+ 16.f4 Nxf4 17.Kc1 Ne2+ 18.Kb1 Qf5+ 19.Qc2 Nxg3 20.Qxf5+ Nxf5 21.Bh3 Ncxd4 10...Qd8 11.c3 Rxd5 12.Kc2 Qf6 9...Nge7 10.c4 Nf5 11.exd6
11...Nfxd4+? Der falsche Springer. Nach 11...Ncxd4+ 12.Kd3 Bxf3 13.gxf3 c6! gewinnt Schwarz die geopferte Figur zurück und verbleibt mit klarem Vorteil. Nach der Partiefortsetzung steht hingegen Weiß auf Gewinn. 12.Kd3 Qh5 13.Be2 Ne6 14.Bg3 cxd6 15.b4 Rhe8 16.Re1 Nc7 17.Kc3 Qh6 18.Qc1 Nxd5+ 19.cxd5 Re3+ 20.Bd3 Qf6+ 21.Kc2 Rxe1 22.Bxe1 Bxf3 23.dxc6 Bxc6 24.Bc3 Qf2+ 25.Qd2 Ba4+ 26.Kb2 Qh4 27.Bxg7 Kb8 28.g3 Qg4 29.Bf6 Rc8 30.Rc1 Re8 31.b5
1–0

Ein Jahr später, im Januar 1960, spielte Spassky dann mit dem Königsgambit eine Partie, die in die Filmgeschichte einging: Im Finale der 27. Sowjetischen Meisterschaft in Leningrad opferte er gegen Bronstein einen Springer und erlaubte seinem Gegner zugleich, einen Turm mit Schach zu schlagen - und das Ende dieser spektakulären Partie inspirierte die Macher des James Bond Films "Liebesgrüße aus Moskau" dazu, eine Schachszene in ihren Film einzubauen.

Spassky, Boris Vasilievich1–0Bronstein, David Ionovich
URS-ch27 Final
Leningrad20.02.1960[Ftacnik, Lubomir]
1.e4 e5 2.f4 Als diese Partie gespielt wurde, waren die Zeiten noch etwas anders. In unserer Zeit werden einige Eröffnungen von Computern als schlecht eingestuft, und das Königsgambit gilt als 'kaum spielbar'. Früher war es ein Zeichen für Mut und Ehre das Königsgambit zu spielen... exf4 3.Nf3 d5 4.exd5 Bd6 5.Nc3 Spassky hat die Schachkrone nicht dank seines Eröffnungswissens erlangt, sondern durch sein universell gutes Spiel in verschiedenen Stellungen. 5.Bb5+ Bd7 6.Bxd7+ Nxd7 7.0-0 Ne7 8.c4 0-0 9.d4 b6 10.Nc3 Ng6 11.Qd3 Nf6 12.Bd2 Qd7 13.Rae1 Rae8 14.a3 a5 15.Nb5± Gurgenidze-Radovici/Tbilisi/1960/ Gurgenidze-Radovici/Tiflis/1960/ 5.d4 c6 5...Ne7 6.c4 c5 7.b4 b6 8.bxc5 bxc5 9.dxc5 Bxc5 10.Bxf4 0-0 11.Nc3 Re8 12.Be2 Nf5 13.Qc2 Qf6 14.Rd1 Nh4 15.Nxh4 Qxf4-+ 0-1 (23) Shirazi,K (2410)-Jakovenko,D (2760) France 2009 6.Nc3 Nf6 7.Qe2+ Kf8 8.Ne5 cxd5 8...g5 9.h4 Nxd5 10.Nxd5 cxd5 11.Qh5 Qe7 12.Qh6+ Ke8 13.Qg7 Bxe5 14.dxe5 Rf8 15.Qxg5 Qb4+ 16.c3 Qe4+ 17.Be2 Nc6 18.Bxf4± ½ (48) Nunn,J (2630) -Anand,V (2715) Monte Carlo 1995 9.Bxf4 Nc6 10.0-0-0 Bg4 11.Nxg4 Bxf4+ 12.Kb1 Nxg4 13.Qxg4 Bc7 14.Qf3 Bb6 15.Nxd5 Qd6 16.Bc4 f6 17.Nf4 Re8 18.c3+- 1-0 (28) Nepomniachtchi,I (2792)-Alekseenko,K (2703) Moscow 2021 5...Ne7 6.d4 0-0 6...c6!? C 31: 2...d5 3.ed5 c6 4.Nc3 ef4 5.Nf3 Bd6 6.d4 Ne7 7.Bd3 / 7.Bc4 / 7.dc6 C 31: 2...d5 3.ed5 c6 4.Nc3 ef4 5.Nf3 Bd6 6.d4 Ne7 7. Bd3 / 7.Bc4 / 7.dc6 7.Bd3 Nd7 7...Bf5!? 8.0-0 Nd7 9.Ng5 8.0-0 h6? Bronstein begeht einen Fehler, der auch heutzutage trotz eines viel tieferen Verständnisses der Schachstrategie erstaunlich häufig vorkommt. Besonders in Stellungen mit einem Brett voller Figuren ist es extrem unwahrscheinlich, dass ein solcher Bauernzug (im Gegensatz zum Zug einer geeigneten Figur) die beste Fortsetzung ist. 8...Nf6!? 9.Ne5 Nfxd5 10.Nxd5 Nxd5 11.Bxf4 Nxf4 12.Rxf4 Qg5!= 13.Qf3 Be6 14.Rf1 c6 15.Rxf7 Bxf7 16.Nxf7 Qh4 17.g3 Qxd4+ 18.Kg2 g6 19.c3 Qc5 20.Bc2= 8...Ng6!? 9.Ne4 Nf6 10.Nxd6 Qxd6 11.c4 Bg4 12.Qb3 9.Ne4! Nxd5 10.c4 Ne3 10...Nb4 11.Bb1 Nf6 12.Nxd6 Qxd6 13.Qd2 Nc6 14.Qxf4± 11.Bxe3 fxe3 12.c5 Be7 13.Bc2! Spassky erkannte, dass Schwarz auf den weißen Feldern Schwächen hat und geht schnell zum Angriff über! 13.Qe2 Nf6 14.Qxe3 Re8= 13...Re8 13...g6!? 14.Qd3 Nf6 15.Qxe3 14.Qd3 e2?! Bronstein war einer der originellsten Spieler und Schachdenker der Geschichte. Er wusste, dass normale Züge in dieser schwierigen Situation nicht genug sind und verfiel so auf diesen 'Querschuss'. 14...Nf8 15.Rae1 b6 16.b4 bxc5 17.bxc5± 14...f5 15.Nc3 Nxc5 16.dxc5 Qxd3 17.Bxd3 Bxc5 18.Rfc1± 15.Nd6? Spassky konnte der Versuchung, diesen Zug zu spielen, nicht widerstehen, aber objektiv ist das nicht die beste Fortsetzung. 15.Rf2! Nf8 16.Ne5 f5 17.Bb3+ Kh7 18.Rxe2± 15.Qxe2 Nf8 16.Rad1± 15...Nf8? Hier hätte Schwarz mit dem mutigen 15...Lxd6! Ausgleich erzielen können. 15...Bxd6! 16.Qh7+ Kf8 17.cxd6 exf1Q+ 17...cxd6? 18.Rf2 Nf6 19.Qh8+ Ng8 19...Ke7 20.Rxe2+ Be6 21.Qxg7+- 20.Bh7+- 18.Rxf1 cxd6 19.Qh8+ Ke7 20.Re1+ Ne5 21.Qxg7 Rg8! 22.Qxh6 Qb6! 23.Kh1 Be6 24.dxe5 d5= 15...Nf6? 16.Nxf7 exf1Q+ 17.Rxf1 Kxf7 18.Ne5+ Kg8 18...Kf8 19.Bb3 19.Qh7+! Nxh7 20.Bb3++- 16.Nxf7! exf1Q+ 17.Rxf1 Bf5 Verzweiflung. 17...Kxf7 18.Ne5+ Kg8 19.Qh7+! Nxh7 20.Bb3+ Kh8 21.Ng6# 17...Qd5!? 18.Bb3! 18.N3e5? Bxc5 19.Nxh6+ gxh6 20.Bb3 Rxe5!∞ 18...Qxf7! 18...Qh5 19.Nxh6+ Kh8 20.Nf7+ Kg8 21.N7g5+ Kh8 22.Bf7+- 19.Bxf7+ Kxf7 20.Qc4+ Kg6 21.Qg8! Bf6 21...Be6 22.Ne5+ Kh5 23.Qxg7+- 22.Ne5+ 22.Nh4+ Bxh4 23.Qf7+ Kh7 24.Qxe8 Ng6 25.Rf7 c6 26.Rc7+- 22...Bxe5 23.Qf7+ Kh7 24.Qxe8 Bxd4+ 25.Kh1 Ng6 26.h4+- 26.Rd1 Bxc5 27.Rd8 Ne7 28.h4!+- 18.Qxf5 Qd7 19.Qf4 Oder 19.Qd3 Bf6 20.Bb3 Re6 21.N3e5 Qe7 22.Qf3 Re8 23.Nxh6+ gxh6 24.Qxf6+- 19...Bf6 20.N3e5 20.Bb3 Kh7 21.N3e5 Bxe5 22.Qe4+ Ng6 23.Nxe5 Rxe5 24.dxe5 Qc6 25.Qxc6 bxc6 26.e6+- 20...Qe7 20...Bxe5 21.Nxe5 Qe7 21...Rxe5 22.dxe5 Re8 23.b4+- 22.Qe4 g6 23.Rxf8+ Rxf8 23...Qxf8 24.Bb3+ Kh7 25.Qxg6+ Kh8 26.Nf7++- 24.Bb3+ Kh7 25.Qxg6+ Kh8 26.Qxh6+ Qh7 27.Ng6# 21.Bb3 Weiß verfügt über mehrere Wege zum Gewinn. 21.Qg4!? Qxf7 21...Bg5 22.Bb3+- 22.Nxf7 Kxf7 23.Bb3+ Re6 23...Ke7 24.Qe4+ Kd7 25.Qxb7± 24.d5+- 21...Bxe5 22.Nxe5+ Kh7 22...Ne6 23.Qe4 a5 24.Ng6 Qd7 25.Nf8+- 23.Qe4+ Ein Juwel der Schachgeschichte. 23.Qe4+ Kh8 24.Rxf8++- 1–0

Und hier die Szene aus dem James Bond-Film:

Zwei Monate nach dieser Partie gelang Spassky beim Turnier in Mar del Plata in Argentinien ein weiterer historischer Sieg mit dem Königsgambit. Denn bei diesem Turnier traf er das erste Mal auf seinen großen Rivalen Bobby Fischer. Spassky hatte Weiß und eröffnete mit 1.e4, worauf Fischer von seinem geliebten Sizilianer abwich, und Spassky mit 1…e5 zu einem Königsgambit einlud. Der ließ sich nicht lange bitten und nahm den Fehdehandschuh auf und spielte tatsächlich 2.f4. Die Eröffnung lief nicht gut für Spassky, aber im Mittelspiel spielte Fischer zu verbissen auf Gegenangriff und stellte im Übereifer eine Figur ein.

Spassky,B1–0Fischer,R
Mar del Plata1960
1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Nf3 g5 4.h4 g4 5.Ne5 Nf6 6.d4 d6 7.Nd3 Nxe4 8.Bxf4 Bg7 9.Nc3 Bis hierhin sind beide Spieler bekannten Vorbildern gefolgt. Die Theorie dieser Varianten geht zum Teil auf Partien von Morphy und Anderssen zurück, aber vermutlich kannten Fischer und Spassky diese Abspiele. 9.Sc3 war jedoch damals eine Neuerung. Nxc3 10.bxc3 c5 Schwarz geht sofort zum Gegenangriff über und greift das weiße Zentrum an. 11.Be2 cxd4 12.0-0 Nach der Rochade des Weißen hängt der Bauer auf h4, aber es ist wichtiger, seine Figuren zu entwickeln, als sich um den Bauern h4 zu kümmern. Nc6 12...Qxh4 13.Qe1 Qxe1 14.Raxe1 0-0 15.Bxd6 Re8 16.Bxg4 Rxe1 17.Rxe1 Bd7 ist die Stellung plötzlich ausgeglichen, z.B. 18.Bxb8 Bxg4 19.Re8+ Bf8 20.Nf4 f6 21.Nd5 Kf7 22.Nc7 Bc5 23.Kf1 Bb6 24.Nxa8 Kxe8 25.Nxb6 axb6 26.cxd4 13.Bxg4 0-0 14.Bxc8 Rxc8 15.Qg4 f5 16.Qg3 dxc3 Die Stellung ist unübersichtlich und komplex, aber Schwarz hat zwei Bauern mehr. Doch bevor Weiß den schwachen Bauern auf d6 schlägt, bringt er eine weitere Figur ins Spiel. 17.Rae1 Kh8 Schwarz will seinen Turm nach g8 bringen, um einen Gegenangriff auf der g-Linie zu starten. 18.Kh1 Rg8 19.Bxd6 Bf8 20.Be5+ Nxe5 21.Qxe5+ Rg7 22.Rxf5 Qxh4+ 23.Kg1 Qg4 Pragmatischer war 23...Qg3 was Spassky in der gemeinsamen Analyse nach der Partie vorgeschlagen hatte, und wodurch Schwarz den Damentausch erzwingt und die taktischen Drohungen des Weißen beseitigt. Nach 24.Qxg3 Rxg3 hat Weiß einen Bauern weniger im Endspiel und muss um das Remis kämpfen. Aber mit Partiefortsetzung spielt Fischer weiter auf Angriff. 24.Rf2 Be7 mit der Idee ...25...Lh4. 25.Re4 Qg5 Wie Fischer in seinen Kommentaren in "Meine 60 Denkwürdigen Partien" schreibt, verlor er hier allmählich die Kontrolle über die Partie, aber spielte weiter hartnäckig auf Gewinn. "Ich begann mich unbehaglich zu fühlen, ohne jedoch im geringsten zu ahnen, daß das schwarze Spiel in gerade einmal vier Zügen zusammenbrechen würde! Ich hätte Remis durch Zugwiederholung machen sollen mit 25...Qd1+ 26.Re1 Qg4 27.Re4 Qd1+ usw. 26.Qd4 Rf8? Schwarz übersieht die Drohung des Weißen und wirft die Partie einzügig weg. Nach 26...b6 Die "Drohung" 27.Re5 pariert Schwarz mit Bf6 . 27.Re5 Diesen Zug hatte Fischer übersehen. Er schreibt: "Unglaublich, aber Schwarz muß eine Figur verlieren. Während ich herauszufinden versuchte, was in Spasskys Kopf vor sich ging, machte ich Fehler und verlor die Partie!" Rd8 28.Qe4 Qh4 29.Rf4 1–0

Bobby Fischer bei der Schacholympiade 1960 in Leipzig | Foto: Turnierbuch

Fischer nahm diese Partie später in sein Buch "Meine 60 Denkwürdigen Partien" auf und machte sie dadurch noch bekannter. Außerdem unterzog er das Königsgambit einer gründlichen Analyse und veröffentlichte ein Jahr später in der ersten Ausgabe des American Chess Quarterly seinen berühmt gewordenen Artikel "A Bust to the King’s Gambit", in dem er behauptete, "Meiner Meinung nach ist das Königsgambit erledigt. Es verliert forciert."

Kein anderer Weltmeister erreichte auch über die Schachwelt hinaus eine derartige Bekanntheit wie Bobby Fischer. Auf dieser DVD führt Ihnen ein Expertenteam die Facetten der Schachlegende vor und zeigt Ihnen u.a die Gewinntechniken des 11.Weltmeisters

Das hielt Fischer jedoch nicht davon ab, im weiteren Verlauf seiner Karriere in drei Partien (gegen Larry Evans bei der US-Meisterschaft in New York 1963, gegen Robert Wade beim Turnier in Vinkovci 1968 und gegen Dragoljub Minic in Vinkovci 1968) mit Weiß zum Königsgambit zu greifen. Fischer gewann alle drei Partien, allerdings spielte er nach 1.e4 e5 2.f4 exf4 immer 3.Lc4 und nicht 3.Sf3 wie Spassky es gegen ihn in Mar del Plata gemacht hatte.

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1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Bc4 Qh4+ 4.Kf1 d6 5.Nc3 Be6 6.Qe2 c6 7.Nf3 Qe7 8.d4 Bxc4 9.Qxc4 g5 10.e5 d5 11.Qd3 Na6 12.Ne2 Nb4 13.Qd1 0-0-0 14.c3 Na6 15.h4 g4 16.Nh2 h5 17.Nxf4 Qxh4 18.Kg1 Nh6 19.Nf1 Qe7 20.Nxh5 Rg8 21.Nfg3 Rg6 22.Nf4 Rg5 23.Be3 Nc7 24.Qd2 Rg8 25.Nfe2 f6 26.exf6 Qxf6 27.Bxh6 Bd6 28.Rf1 Qe6 29.Bf4 Rde8 30.Rh6 Bxf4 31.Qxf4 Qe7 32.Rf6 Ne6 33.Qe5 Ng5 34.Qxe7 Rxe7 35.Rf8+ Rxf8 36.Rxf8+ 1–0
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WhiteEloWBlackEloBResYearECOEventRnd
Fischer,R-Evans,L-1–01963C33USA-ch2
Fischer,R-Wade,R-1–01968C30Vinkovci1
Fischer,R-Minic,D-1–01968C33Vinkovci6

In Partien mit klassischer Bedenkzeit hat Spassky 3.Lc4 nur einmal gespielt, 1960 gegen Mammed Nurmamedov im Halbfinale der Sowjetischen Meisterschaften in Rostov am Don, und in dieser Partie gelang ihm ein klarer Sieg.

Allerdings griff Spassky bei einem Schnellschachwettkampf, zu dem er 1999 in St. Petersburg gegen seinen alten Rivalen Viktor Kortschnoi antrat, in einer Partie noch einmal zu 3.Lc4 im Königsgambit. Das führte zu einer interessanten Stellung, in der Spassky im entscheidenden Moment der Mut fehlte, seinen schlecht stehenden Läufer mit einem Bauernopfer zu befreien.

Als widerlegt, wie Fischer behauptet hat, gilt das Königsgambit heute nicht, allerdings blickt die Theorie skeptisch auf den Versuch des Weißen, mit 2.f4 das Zeitalter des romantischen Schachs neu aufleben zu lassen. Wie in den obigen Partien zu sehen, stand Spassky mit dem Königsgambit nach der Eröffnung oft schlechter, aber konnte dann das Ruder noch herumreißen. Die erstaunlichste Rettung gelang ihm dabei 1982 beim in Hamburg gespielten TV World Cup gegen Karpov.

Der TV World Cup war ein K.O.-Turnier mit acht Teilnehmern, die in zwei Gruppen doppelrundig gegeneinander antraten und Schnellpartien mit einer Stunde für die ganze Partie spielten. Die Sieger der jeweiligen Gruppen – das waren Karpov und Spassky - spielten dann im Finale um den Turniersieg.

Karpov war für Spassky immer ein schwieriger Gegner und auch bei seiner Partie mit Karpov beim Fernsehturnier schien Karpov auf der Siegerstraße zu sein, aber dann unterlief dem damaligen Weltmeister, der für seine gute Technik berühmt war, im Endspiel in hochgradiger Zeitnot ein schwerer Fehler und Spassky konnte die Partie doch noch für sich entscheiden. Aber trotz dieser bitteren Niederlage gewann Karpov das Finale und den TV World Cup.

Auf YouTube findet man noch alte Aufnahmen dieses Turniers.

Sein letzter Weiß-Sieg im Königsgambit in einer Partie mit klassischer Bedenkzeit gelang Spassky 1988 gegen Zsuzsa Polgar. Einmal mehr zeigte er in dieser Partie, wie gut er alle Facetten des Schachs beherrscht: Das Spiel in zweischneidigen taktischen Stellungen, das Spiel in positionellen Stellungen und auch das Endspiel.

Boris Spassky | Foto: Dagobert Kohlmeyer

Spassky spielt gegen das Königsgambit

Mit Schwarz hat Spassky gerne Spanisch gespielt, doch nach 1.e4 e5 waren nur vier seiner Gegner kühn – oder vermessen – genug, um Spassky mit dem Königsgambit herauszufordern. Sie alle erlitten mehr oder weniger schnell Schiffbruch. Wie der Engländer William Hartston beim Turnier in Hastings 1965/1965.

Der deutsche Spieler Wolfram Hartmann, der selbst regelmäßig Königsgambit gespielt hat, erwies sich als prinzipientreu, als er in der Bundesliga mit Weiß gegen Spassky antreten musste: Er probierte es gleich zwei Mal mit dem Königsgambit, doch beide Partien verliefen einseitig zu Gunsten von Schwarz.

In der ersten Spassky-Partie mit einem Königsgambit, die in der Mega enthalten ist, hatte Spassky Schwarz und gewann gegen den russischen Meister Chepukaitis. Und auch in seiner letzten Gewinnpartie in einer Partie mit klassischer Bedenkzeit, in der das Königsgambit auf dem Brett stand, hatte Spassky Schwarz – und kam zu einem hübschen Sieg.

Offensichtlich spielte Spassky die zweischneidigen, oft unkonventionellen Stellungen, die im Königsgambit entstehen können, einfach gerne. Sie gaben ihm Raum für Kreativität und ungewöhnliche Züge. So war das Königsgambit zwar nie Spasskys Hauptwaffe nach 1.e4 e5 – meistens spielte er 2.Sf3, sehr selten auch 2.Sc3 – aber er blieb der Eröffnung sein Leben lang treu und wendete sie immer wieder mit erstaunlichem Erfolg an. Und spielte dabei zugleich eine Reihe schöner und bemerkenswerter Partien.

Partien

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1.e4 e5 2.f4 d5 3.exd5 e4 4.Nc3 Nf6 5.Bc4 Bc5 6.Nge2 0-0 7.d4 exd3 8.Qxd3 Re8 9.h3 a6 10.a4 Qe7 11.Bd2 c6 12.dxc6 Nxc6 13.0-0-0 Nb4 14.Qf3 b5 15.Qxa8 bxc4 16.Qf3 Bf5 17.Rhe1 Qd7 18.Ng3 Bxc2 19.Rxe8+ Nxe8 20.Nce4 Qxa4 21.Bxb4 Bxb4 22.Rd8 Bd3 23.Rxd3 cxd3 24.Qxd3 Qc6+ 25.Kb1 g6 26.Qd8 Kf8 27.Qd4 Bd6 28.Qh8+ Ke7 29.Qxh7 Bxf4 30.Qh4+ g5 31.Nxg5 Qc1+ 32.Ka2 Bxg5 33.Qb4+ Kd7 34.Qa4+ Qc6 35.Qg4+ Qe6+ 0–1
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WhiteEloWBlackEloBResYearECOEventRnd
Chepukaitis,G-Spassky,B-0–11952C32URS U20 Team-ch
Spassky,B-Averbakh,Y-1–01955C36URS-ch22 Final10
Spassky,B-Furman,S-1–01959C33URS-ch27 Semifinal
Spassky,B-Sakharov,Y-1–01960C36URS-ch27 Final8
Spassky,B-Liberzon,V-½–½1960C35URS-ch27 Final14
Spassky,B-Bronstein,D-1–01960C36URS-ch27 Final16
Spassky,B-Fischer,R-1–01960C39Mar del Plata International-232
Spassky,B-Gibbs,P-1–01960C37WchT Students 07th4
Spassky,B-Tumurbator,P-1–01960C32WchT Students 07th6
Spassky,B-Bannik,A-½–½1960C36URS-ch28 Semifinal
Spassky,B-Nurmamedov,M-1–01960C33URS-ch28 Semifinal
Spassky,B-Limbos,P-1–01962C32Olympiad-15 Preliminaries A8
Spassky,B-Najdorf,M-½–½1962C35Olympiad-15 Final A4
Spassky,B-Novopashin,A-½–½1962C34URS-ch30 Final15
Spassky,B-Kholmov,R-1–01964C35URS-ch31 playoff-1pl2
Spassky,B-Krogius,N-½–½1964C30Chigorin Memorial-0415
Spassky,B-Matanovic,A-½–½1964C32Belgrade International8
Hartston,W-Spassky,B-0–11965C36Christmas Congress 1965/66-41 Premier3
Spassky,B-Portisch,L-1–01967C34Match/Nation HUN-RSFSR3
Spassky,B-Bronstein,D-½–½1971C32Alekhine Memorial-0211
Spassky,B-Pytel,K-1–01974C36Olympiad-21 Preliminaries A5
Spassky,B-Ornstein,A-½–½1974C38Olympiad-21 Final A6
Spassky,B2640Lane,G-0–11979C36London Spassky sim
Hartmann,W2275Spassky,B26250–11982C33Bundesliga 1981/829.1
Spassky,B2625Karpov,A27201–01982C38TV Worldcup Final7.2
Spassky,B2580Hermann,M-1–01985C35Bundesliga 1984/858.2
Spassky,B2580Rivas Pastor,M2480½–½1985C34Linares-052
Spassky,B2590Seirawan,Y25701–01985C34Candidates Tournament Montpellier9
Hartmann,W2315Spassky,B26100–11986C33Bundesliga 1985/8611.1
Popovych,O2270Spassky,B26100–11986C34US Open-873
Spassky,B2605Motwani,P24250–11987C31Glasgow sim
Spassky,B2565Polgar,Z24751–01988C31Wellington
Spassky,B2560Martinez,J-1–01991C30Oviedo rapid2
Spassky,B2565David,A2380½–½1993C30FRA
Boulard,E2300Spassky,B25500–11994C38FRA-chT2 9495
Spassky,B2565Xie,J2515½–½1994C39Women-Veterans2
Spassky,B2540Marciano,D2480½–½1996C39FRA Cup final
Spassky,B2549Kortschnoj,V2673½–½1999C33St Petersburg m7
Spassky,B2551Fressinet,L2575½–½2001C39Paris Grand Prix du Senat 2nd2.2
Spassky,B2548Adamopoulos,I2090½–½2002C39Kalamata sim
Spassky,B2548Benum,R-1–02004C30Reno sim
Spassky,B2548Borowski,D-1–02004C37Reno sim
Spassky,B2548Daehlin,J-1–02004C30Reno sim
Spassky,B2548Geller,G-1–02004C34Reno sim
Spassky,B2548George,R-1–02004C39Reno sim
Spassky,B2548Jones,I-1–02004C36Reno sim
Spassky,B2548Lundy,G-1–02004C30Reno sim
Spassky,B2548Mann,A-1–02004C34Reno sim
Spassky,B2548Wyatt,N-½–½2004C32Reno sim
Spassky,B2548Jourilles,P-1–02006C34San Francisco sim
Spassky,B2548Krubnik,E-½–½2006C36San Francisco sim
Spassky,B2548Lehman,C-1–02006C36San Francisco sim
Spassky,B2548Lin,T-1–02006C30San Francisco sim
Spassky,B2548Lupton,S-1–02006C39San Francisco sim
Spassky,B2548Nyamdorj,K-1–02006C30San Francisco sim

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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