Tegernsee: Hovhannisyan stolpert, Kovalenko bedankt sich

von Marco Baldauf
05.11.2018 – Am Ende eines Turnieres wird selten jener Spieler geehrt, der das Turnier von Anfang an dominierte und die längste Zeit im gelben Trikot fuhr, sondern jener Spieler, der zum Schluss die Nase ganz vorne hat. "Ein Spiel dauert 90 Minuten", meinte einst Sepp Herberger - "ein Schachturnier dauert 9 Runden", weiß Igor Kovalenko, der in der letzten Runde seine Klasse unter Beweis stellt und die Konkurrenz damit überflügelt | Foto: Turnierseite

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Es hätte eigentlich das perfekte Turnier für Robert Hovhannisyan werden können. Von der ersten Runde an zeigte der junge armenische Nationalspieler konzentriertes und zielstrebiges Schach. Sechs Siege in Folge führten Hovhannisyan an die Tabellenspitze, die er bis zu Beginn der 9. Runde nicht mehr abgab. Ein Kurzremis in Runde 7, ein ausgekämpftes in Runde 8 – in der Schlussrunde wartete mit Alireza Firouzja allerdings eine zu große Hürde.

Robert Hovhannisyan (l.) zu Beginn der Schlussrunde. Im Hintergrund weiß ihr Schreiberling nach 2.Lg5 schon mal wieder nicht wirklich weiter | Foto: Turnierseite

 

Nach etwas über drei Stunden Spielzeit sah alles noch nach einem armenischen Sieger am Tegernsee aus. Keine Frage, die weiße Stellung spielt sich angenehmer, der b5 ist schwächer als der b4 und die weißen Leichtfiguren stehen aktiver. Doch so recht wollte zu diesem Zeitpunkt niemand an einen Sieg des 15-jährigen Iraners am Spitzenbrett glauben. Hovhannisyan würde in der Lage sein, die Position zu verteidigen. Der zweite Spitzenreiter, Gabor Papp, hatte seine Partie gegen Dieter-Liviu Nisipeanu mit Weiß sehr solide angelegt und damit früh signalisiert, mit einem Remis einverstanden zu sein. Nisipeanu versuchte indessen die Stellung zu verschärfen und spielte sich damit fast um Kopf und Kragen. Mit einem Minusbauern im Endspiel kam Nisipeanu nie in die Nähe eines Sieges, das Remisangebot im 37. Zug musste er vielmehr als schmeichelhaft betrachten.

 

Gabor Papp: falsche Stellungseinschätzung oder einfach nur Nerven gezeigt? | Foto: Turnierseite

Unterdessen am Spitzenbrett: Robert Hovhannisyan hat nach Erreichen der Zeitkontrolle eine Qualität weniger. Ob er diese eingestellt oder die Stellung falsch eingeschätzt hat – ich kann es nicht beantworten.

 

Hovhannisyan bemüht sich noch lange um die Konstruktion einer uneinnehmbaren Festung, doch es soll heute nicht sein für den Armenier. Langsam aber sicher dringen die weißen Figuren in die schwarze Stellung ein, die weißen Felder sind zu schwach als dass der Springer diese überdecken könnte. Die Stellung in welcher Hovhannisyan letztlich das Handtuch wirft ist ein Sinnbild weißfeldriger Dominanz.

 

Greift zum Schluss entscheidend in den Kampf um den Turniersieg ein: der 15-jährige iranische Großmeister Alireza Firouzja | Foto: Turnierseite

„Ein Spiel dauert 90 Minuten“ ...und ein Schachturnier 9 Runden

Auch wenn es schwer fällt zu glauben, dass der lettische Großmeister Igor Kovalenko dieses Herbergersche Bonmot zu Beginn der Partie in abgewandelter Form gemurmelt haben soll – seine Turnierstrategie hier am Tegernsee hätte dem Meistertrainer von 1954 sicherlich bestens gefallen. Ein frühes Remis in Runde 3 sorgte dafür, dass Kovalenko lange Zeit etwas unter dem Radar flog. In der 8. Runde erst nahm er zum ersten Mal an Brett 1 Platz – ein Remis gegen Hovhannisyan, mehr sprang nicht dabei raus.

Eine Zuschauertraube bildet sich um das Brett des deutschen Spitzenspielers Nisipeanu (r.) | Foto: Turnierseite

Während also Zuschauerinnen und Zuschauer der Schlussrunde beim Fernduell zwischen Hovhannisyan und Papp mitfieberten, schickte sich Kovalenko still und leise an, in einem relativ ausgeglichenen Damenendspiel gegen den jungen Christopher Repka Vorteile um Vorteile anzuhäufen. Nach knapp fünf Stunden Spielzeit war es dann vollbracht – Kovalenko zwang Repka zur Aufgabe und es hätte zu diesem Zeitpunkt einem Wunder an Brett 1 benötigt, sollte der Lette noch um seinen Turniersieg gebracht werden.

Um 3000€ reicher lässt es sich gut lachen - der strahlende Sieger Igor Kovalenko | Foto: Turnierseite

Der Kampf um den Sieger an Brett 1 bis 3 | Foto: Turnierseite

Ergebnisse der 9. Runde (Brett 1-20)

Br. Nr.     Name Elo Pkt. Ergebnis Pkt.   Name Elo   Nr.
1 9
 
GM Firouzja Alireza 2600 1 - 0 7 GM Hovhannisyan Robert 2621
 
6
2 10
 
GM Papp Gabor 2591 7 ½ - ½ GM Nisipeanu Liviu-Dieter 2667
 
2
3 4
 
GM Kovalenko Igor 2646 1 - 0 GM Repka Christopher 2494
 
23
4 1
 
GM Demchenko Anton 2679 6 1 - 0 6 GM Sanal Vahap 2487
 
25
5 3
 
GM Moiseenko Alexander 2648 6 1 - 0 6 IM Baldauf Marco 2472
 
28
6 30
 
IM Perske Thore 2454 6 0 - 1 6 GM Iturrizaga Bonelli Eduardo 2636
 
5
7 11
 
GM Gopal G.N. 2578 6 ½ - ½ 6 IM Caspi Israel 2471
 
29
8 40
 
IM Colpe Malte 2379 6 0 - 1 6 GM Santos Latasa Jaime 2572
 
13
9 86
 
FM Sieglen Joachim Dr. 2208 6 0 - 1 6 GM Fier Alexandr 2558
 
14
10 18
 
GM Halkias Stelios 2544 6 ½ - ½ 6 IM Bellia Fabrizio 2448
 
31
11 19
 
GM Sandipan Chanda 2535 6 1 - 0 6 IM Stark Lars 2374
 
41
12 155
 
  Lindam Ingo 2098 6 0 - 1 6 IM Zanan Evgeny 2514
 
21
13 22
 
GM Stefansson Hannes 2502 6 1 - 0 6 IM Slugin Sergey 2362
 
44
14 50
 
FM Fischer Daniel 2336 0 - 1 GM Banusz Tamas 2606
 
7
15 51
 
IM Köpke Christian 2331 0 - 1 GM Braun Arik 2603
 
8
16 59
 
FM Schuster Karsten 2283 0 - 1 GM Petrosyan Manuel 2574
 
12
17 15
 
GM Martinovic Sasa 2555 1 - 0 IM Donchenko Anatoly 2269
 
65
18 62
 
IM Maier Alexander 2275 0 - 1 GM Mons Leon 2554
 
16
19 17
 
GM Kulaots Kaido 2546 1 - 0 FM Grötzbach Julian 2247
 
69
20 71
 
  Ciolek Andreas 2241 1 - 0 IM Jarmula Lukasz 2492
 
24

Endstand

Rg. Snr     Name Land EloI EloN Verein/Ort Pkt.  Wtg1   Wtg2 
1 4
 
GM Kovalenko Igor LAT 2646 2627 SC Viernheim 1934 7,5 2484 53,0
2 10
 
GM Papp Gabor HUN 2591 2556 ESV Nickelhütte Aue 7,5 2462 50,5
3 9
 
GM Firouzja Alireza IRI 2600 2615 Münchener SC 1836 7,5 2373 47,5
4 6
 
GM Hovhannisyan Robert ARM 2621 0   7,0 2515 55,0
5 2
 
GM Nisipeanu Liviu-Dieter GER 2667 2674 USV TU Dresden 7,0 2500 53,0
6 13
 
GM Santos Latasa Jaime ESP 2572 0 MAGIC 7,0 2482 49,0
7 5
 
GM Iturrizaga Bonelli Eduardo VEN 2636 2617 DJK Aufwärts St. Josef Aachen 7,0 2433 49,0
8 3
 
GM Moiseenko Alexander UKR 2648 2632 SV Hockenheim 7,0 2415 47,0
9 22
 
GM Stefansson Hannes ISL 2502 0   7,0 2411 50,0
10 1
 
GM Demchenko Anton RUS 2679 2673 Düsseldorfer SK 14/25 7,0 2387 46,5
11 19
 
GM Sandipan Chanda IND 2535 2575 SG Solingen 7,0 2374 47,5
12 14
 
GM Fier Alexandr BRA 2558 0 Tblissi 7,0 2370 50,0
13 21
 
IM Zanan Evgeny ISR 2514 0 Rishon le Zion 7,0 2359 47,5
14 11
 
GM Gopal G.N. IND 2578 0 Kochi 6,5 2458 50,5
15 18
 
GM Halkias Stelios GRE 2544 2561 OSG Baden-Baden 6,5 2435 50,5
16 7
 
GM Banusz Tamas HUN 2606 2597 SV Hockenheim 6,5 2412 47,5
17 46
 
IM Zude Arno GER 2349 2295 SV 1920 Hofheim 6,5 2411 49,5
18 23
 
GM Repka Christopher SVK 2494 0   6,5 2406 49,5
19 31
 
IM Bellia Fabrizio ITA 2448 0 Famiglia Legnanese 6,5 2381 51,5
20 17
 
GM Kulaots Kaido EST 2546 2579 BCA Augsburg 6,5 2335 47,5
21 12
 
GM Petrosyan Manuel ARM 2574 0   6,5 2315 47,0
22 48
 
FM Hacker Jonas GER 2345 2338 SC Eppingen 6,5 2315 46,0
23 32
 
GM Hoffmann Michael GER 2441 2374 SV Sundern 1973 6,5 2299 47,0
24 15
 
GM Martinovic Sasa CRO 2555 2591 TSV Schönaich 6,5 2290 44,0
25 8
 
GM Braun Arik GER 2603 2575 SV Hockenheim 6,5 2284 47,0
26 38
 
  Zajogin Alexander BLR 2408 2385 FC Bayern München 6,5 2282 46,0
27 47
 
FM Weber Ulrich GER 2347 2280 SV 1920 Hofheim 6,5 2273 47,0
28 37
 
IM Morawietz Dieter GER 2408 2368 Klub Kölner Sfr. 6,5 2224 44,0
29 29
 
IM Caspi Israel ISR 2471 0 Herzliya 6,5 2217 45,5
30 16
 
GM Mons Leon GER 2554 2589 MSA Zugzwang 82 6,5 2204 44,0

... 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer

 

Vorbericht

Bericht zu den Auftaktrunden

Bericht zu den Runden 3 bis 7

Bericht zu Runde 8

Turnierseite


Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

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