New York 1924, Runde 4: Emanuel Lasker gewinnt weiter

von Johannes Fischer
08.05.2020 – Der überzeugende Sieg gegen Alexander Aljechin in Runde 3 scheint Ex-Weltmeister Emanuel Lasker beim Turnier in New York 1924 beflügelt zu haben. In Runde 4 gewann er seine zweite Schwarzpartie in Folge, dieses Mal gegen Dawid Janowsky. Im Prestigeduell zwischen Capablanca und Aljechin dominierte der Kubaner, aber am Ende konnte sich Aljechin ins Remis retten. Bogoljubow kam zu einem schönen Sieg gegen Reti und Yates gewann gegen Edward Lasker. Tartakower und Maroczy spielten Remis und Tartakower sorgte für eine ungewöhnliche Bereicherung der Eröffnungstheorie.

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New York 1924, Runde 4

In Runde 4 trafen mit Dawid Janowsky (*25.05.1868) und Emanuel Lasker (*24.12.1868) die beiden ältesten Turnierteilnehmer aufeinander. Die beiden haben im Laufe ihrer langen Karriere schon oft gegeneinander gespielt, zwei Mal sogar um die Weltmeisterschaft. Doch die Gesamtbilanz fällt vernichtend für Janowsky aus: laut Statistik haben Lasker und Janowsky 35 Turnier- und Wettkampfpartien gegeneinander gespielt, davon gewann Lasker 24, 7 endeten mit Remis und nur 4 Mal konnte Janowsky gewinnen.

Dawid Janowsky

Auch in Partie 36 dieses Langzeit-Duells hatte Janowsky kein Glück. In einem Sizilianer übernahm Lasker schon bald nach der Eröffnung mit Schwarz die Initiative und setzte Weiß im weiteren Verlauf mit immer neuen Ideen und Manövern unter Druck. Am Ende fand Janowsky keine Verteidigung mehr und die weiße Stellung brach zusammen.

 

Doch das wirkliche Prestigeduell der vierten Runde war die Begegnung zwischen dem amtierenden Weltmeister José Raúl Capablanca und dem 31-jährigen Russen Alexander Aljechin. Aljechin brennt vor Ehrgeiz und träumt davon, gegen den vier Jahre älteren Capablanca um die Weltmeisterschaft spielen zu können. Ja, eigentlich kam das Turnier in New York nur zustande, weil Aljechin 1923 in den USA Geldgeber gesucht hatte, die einen Weltmeisterschaftskampf zwischen Aljechin und Capablanca finanzieren würden, aber die potenziellen Sponsoren stattdessen lieber ein Weltklasseturnier unterstützen wollten.

Tatsächlich ist schwer vorstellbar, dass Aljechin in einem Wettkampf gegen Capablanca ernsthafte Chancen haben könnte. Sechs Mal haben die beiden vor dem Turnier in New York gegeneinander gespielt, vier Mal gewann Capablanca, zwei der Partien endeten Remis.

Und auch in Runde 4 des Turniers in New York war Aljechin mit einem Remis gut bedient. In einem Franzosen geriet er nach der Eröffnung in einer scheinbar einfachen Stellung schon bald in Schwierigkeiten und verlor einen Bauern. Aber dann setzte Capablanca nicht energisch genug fort und vereinfachte die Stellung zu stark und erlaubte Aljechin so, ins Remis zu entschlüpfen.

 

Ein überzeugender und hübscher Sieg gelang Efim Bogoljubow gegen Richard Reti. Bogoljubow wurde am 14. Apri 1889 in Stanislawtschik im Gouvernement Kiew geboren, was damals Teil des Russischen Kaiserreichs war. Jetzt spielt Bogoljubow unter sowjetischer Flagge, aber er lebt mit seiner deutschen Frau und seinen beiden Töchtern in Triberg in Deutschland, wo er bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges interniert worden war.

Efim Bogoljubow

Bogoljubow scheint ein treusorgender Familienvater zu sein und unter den Teilnehmern kursiert das Gerücht, dass Bogoljubow eine hohe Lebensversicherung zugunsten seiner Familie abgeschlossen hat, bevor er sich für die Fahrt nach New York in Hamburg einschiffte.

Doch von allzu großer Vorsicht war in Bogoljubows Partie gegen Reti nichts zu bemerken. Nach druckvoller Eröffnung wickelte Bogoljubow in ein damenloses Mittelspiel ab, in dem er zeigte, wie viel Angriffspotenzial in Stellungen mit ungleichfarbigen Läufern steckte. Mit einem hübschen Qualitätsopfer brachte er die Partie schließlich erfolgreich zum Abschluss.

 

Eine unglückliche Niederlage erlitt Edward Lasker gegen Frederick Yates. In einer lange ausgeglichenen Partie unterlief Lasker im Endspiel ein Fehler, der zu seiner ersten Niederlage im Turnier führte.

 

Für Heiterkeit, Verwunderung und Kopfschütteln sorgte einmal mehr die Eröffnungswahl Savielly Tartakowers. Wie der scharfzüngige Journalist berichtete, hatte er die freie Zeit des Turniers für einen Besuch des New Yorker Zoos genutzt und dort einen Orang-Utan beobachtet, der ihn dazu inspirierte, seine Partie gegen Geza Maroczy mit 1.b4!? zu beginnen – womit sich der b-Bauer nach Ansicht Tartakowers anschickt, sich entlang der b-Linie so hoch zu hangeln wie ein Orang-Utan einen Baum. Was auch immer man von dieser Geschichte und diesem Eröffnungsexperiment halten mag – widerlegen konnte Maroczy den ungewöhnlichen Anfangszug nicht und so endete die Partie nach einigen Wirrungen und Irrungen nach 54 Zügen schließlich mit Remis.

 

Nach vier Runden liegt damit Tartakower mit 3 aus 4 weiter allein in Führung, allerdings verzerrt der Umstand, dass einer der elf Teilnehmer immer spielfrei hat, die Tabelle. Tatsächlich hat Emanuel Lasker mit 2½/3 das prozentual beste Ergebnis aller elf Teilnehmer.

Ergebnisse der 4. Runde

D. Janowsky 0-1 Em. Lasker
J.R. Capablanca ½-½ A. Aljechin
E. Bogoljubow 1-0 R. Reti
F. Yates 1-0 Ed. Lasker
S. Tartakower ½-½ G. Maroczy

Spielfrei: Frank Marshall

Stand nach vier Runden

Rg. Name 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Pkt.
1 Saviely Tartakower       1     ½ 1   ½   3.0
2 Alexander Alekhine     0   ½   1 1       2.5
3 Emanuel Lasker   1     ½       1     2.5
4 Efim Bogoljubow 0         ½       1 1 2.5
5 Jose Raul Capablanca   ½ ½     ½     ½     2.0
6 Edward Lasker       ½ ½   ½ 0       1.5
7 Geza Maroczy ½ 0       ½         ½ 1.5
8 Frederick Dewhurst Yates 0 0       1     ½     1.5
9 Dawid Markelowicz Janowski     0   ½     ½       1.0
10 Frank James Marshall ½     0             ½ 1.0
11 Richard Reti       0     ½     ½   1.0

Partien

 

Links

 


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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