Stilübungen: (4/4) Lösungen

von Johannes Fischer
03.07.2017 – Im vierten und letzten Teil der "Stilübungen" waren Partien von Garry Kasparov, Vladimir Kramnik, Vishy Anand und Magnus Carlsen zu erraten. Keine leichte Aufgabe, denn drei dieser Weltmeister sind noch aktiv und entwickeln sich stilistisch weiter, nur Kasparov hat sich vom Turnierschach zurückgezogen. Aber obwohl das moderne Schach immer universeller wird, hat jeder der letzten vier Weltmeister der Schachgeschichte einen ganz eigenen Stil.

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16 Weltmeister zählt die Schachgeschichte. Der erste war Wilhelm Steinitz, der 16. ist Magnus Carlsen. In den vergangenen Wochen hat ChessBase zwölf Weltmeisterpartien ohne Angaben zu Gegner, Datum oder Spielort vorgestellt, und Sie eingeladen, diese zwölf Partien den ersten zwölf Weltmeistern der Schachgeschichte zuzuordnen.

Um die Dinge überschaubarer und einfacher zu machen, wurden die 16 Weltmeister chronologisch geordnet in vier Gruppen eingeteilt. In der vierten Folge der Stilübungen soll man erkennen, ob Garry Kasparov, Vladimir Kramnik, Vishy Anand oder Magnus Carlsen gespielt haben.

Die Auswahl der Partien erfolgte weitgehend nach Zufallsprinzip – per Zufallsgenerator wurde aus Partiensammlungen der Weltmeister eine Partie ausgewählt. Berücksichtigt wurden nur Turnier- oder Wettkampfpartien und auch nur Gewinnpartien. Partien zwischen zwei Weltmeistern wurden ignoriert.

Partie 1

Vladimir Kramnik ist ein Paradebeispiel für ein Spieler mit universellem Stil. Er hat zahlreiche Beiträge zur Eröffnungstheorie geleistet und ist eröffnungstheoretisch stets ausgezeichnet vorbereitet. Zudem hat Kramnik im Laufe seiner Karriere zahlreiche brilliante Angriffspartien gespielt, aber noch mehr Partien hat er durch klares, logisches Positionsspiel und phantastische Fähigkeiten im Endspiel gewonnen. Besonders gut behandelt er damenlose Mittelspiele.

Insofern ist die folgende Partie typisch für Kramnik. Sein Gegner behandelt die Eröffnung mit Weiß anspruchslos und Kramnik kommt mit Schwarz problemlos zum Ausgleich und übernimmt nach Abschluss der Eröffnung die Initiative. Nach frühem Damentausch lässt Kramnik seinem Gegner keine Chance und gewinnt souverän. 

 

Partie 2

Garry Kasparov ist vielleicht der stärkste Spieler der Schachgeschichte. 1985 wurde er als 22-jähriger der jüngste Weltmeister der Schachgeschichte und als er im März 2005 seinen Rückzug vom Turnierschach erklärte, war er mit einer Elo-Zahl von 2812 immer noch die Nummer Eins der Welt.

Legendär sind Kasparovs Eröffnungsvorbereitung, seine taktischen Fähigkeiten und seine enorm schnelle und tiefe Variantenberechnung. So hat Kasparov im Laufe seiner Karriere zahlreiche Partien gespielt, in denen er seine Gegner aus der Eröffnung heraus regelrecht zertrümmert hat. Die folgende Partie gegen Loek Van Wely ist nur ein Beispiel unter vielen. 

 

Partie 3

Eine Zeit lang war Magnus Carlsen Schüler von Garry Kasparov, aber stilistisch liegen zwischen dem 13. und dem 16. Weltmeister der Schachgeschichte Welten. Anders als Kasparov, der seine Gegner von Beginn an unter Druck gesetzt und schon in der Eröffnung nach Vorteil gestrebt hat, begnügt sich Carlsen in der Eröffnung oft damit, eine spielbare Stellung zu bekommen ohne nach Vorteil zu streben. Doch dann überspielt Carlsen seine Gegner regelmäßig im Mittelspiel und im Endspiel.

So hat Carlsen im Laufe seiner Karriere deutlich weniger Kurzpartien gewonnen als Kasparov. Legendär sind jedoch seine Fähigkeiten, in ausgeglichenen, vereinfachten und scheinbar harmlosen Stellungen Gewinnchancen zu schaffen. Genau wie Kasparov verfügt Carlsen über einen enormen Siegeswillen. Der zeigt sich auch in der folgenden Partie gegen Levon Aronian. Nach einer kleinen Ungenauigkeit in der Eröffnung gerät Carlsen als Weißer in die Defensive, aber verteidigt sich dann ebenso umsichtig wie einfallsreich.

Irgendwann verliert Aronian den Faden, und dann ist es Carlsen, der lange Zeit schlecht gestanden hat, der gewinnen will - und es am Ende auch tut.

 

Partie 4

Vishy Anand wurde 1987 Juniorenweltmeister U20, im gleichen Jahr Großmeister und nur drei Jahre später, 1990, spielte er das erste Mal im Kandidatenturnier. Im Laufe seiner langen und beeindruckenden Karriere zahllose Erfolge erzielt und zahllose Partien auf ganz unterschiedliche Art gewonnen - durch herausragende Eröffnungskenntnisse, durch starkes Positionsspiel, im Angriff, durch zähe Verteidigung und natürlich im Endspiel.

Anands Eröffnungsvorbereitung ist ebenso legendär wie seine taktischen Fähigkeiten und seine Kunst, schlechtere Stellungen zu halten. Auch im Angriff spielt er kreativ und einfallsreich. Wie die folgende Partie gegen Predrag Nikolic beweist.

 

Mit dieser schönen Partie des 15. Weltmeisters der Schachgeschichte enden die Stilübungen. Natürlich lassen sich die Partien der Schachweltmeister stilistisch nicht immer eindeutig zuordnen, und in manchen seiner Partien hat Kasparov so gespielt wie man es Carlsen oder Karpov zutraut. Oder es gibt Partien, in denen Defensivkünstler Tigran Petrosian seine Gegner taktisch überspielt wie es für Mikhail Tal typisch ist. Bemerkenswert ist allerdings auch, wie oft bestimmte stilistische Merkmale, die die 16. Weltmeister der Schachgeschichte auszeichnen, in zufällig ausgewählten Partien zu sehen sind. Wobei das natürlich leichter fällt, wenn man weiß, welcher Weltmeister die jeweilige Partie hat.

Siehe auch:

Stilübungen 1 - Steinitz, Lasker, Capablanca, Aljechin
Stilübungen 1 - Lösungen

Stilübungen 2 - Euwe, Botvinnik, Smyslov, Tal
Stilübungen 2 - Lösungen

Stilübungen 3 - Petrosian, Spassky, Fischer, Karpov
Stilübungen 3 - Lösungen


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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