Der Widder und seine Strategie

von Dagmar Seifert
31.03.2022 – Wenn wir mal davon ausgehen würden, dass wirklich etwas an der Astrologie dran ist – dass tatsächlich im Herbst geborene Menschen ein wenig anders ticken als Frühjahrsküken – wenn wir uns daran orientieren würden, wer uns da am Brett eigentlich gegenübersitzt - (Was kann es schaden, sich nach dem Sternzeichen zu erkundigen?) dann hätten wir eventuell einen brauchbaren Anhaltspunkt für die gegnerische Strategie. Vielleicht würden wir ja auch unwillkürlich von einem typischen Holländer erwarten, dass er eine andere Taktik bevorzugt als der Vollblut-Sizilianer.

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Das Sternzeichen der aktuellen Wochen ist der Widder

So einer wie Garry Kasparov, der gesagt hat:

Intelligenz lässt sich nicht am Weg, sondern nur am Ergebnis feststellen.

Kasparov übrigens hat den Mars im Löwen, den Aszendenten im Schützen, Merkur im Stier. Das bedeutet, nicht nur sein Sonnenzeichen Widder, sondern auch seine Kampfkraft, der Mars, und seine Bestimmung, der Aszendent, machen ihn feurig, hitzig, angriffslustig. Dem entgegen, sehr nützlich, kann sein Denken (Merkur) ausgesprochen bedächtig und sicherheitsbewusst ausfallen. Kasparov besitzt hier eine eingebaute Bremse, die ihn bei aller Begeisterungsfähigkeit erdet und immer wieder zur Vernunft anhält.

Der Inbegriff des feurigen Widders - Garry Kasparov | Foto: Saint Louis Chess Center

Wie sollte man den typischen Widder-Schachspieler einschätzen?

Zunächst muss beachtet werden, dass ein Widder, mehr als jeder andere, nicht spielt um zu spielen, sondern, um zu gewinnen. Sein Zeichen ist das Erste im Tierkreis und er ist durchdrungen von der Idee, der Erste und der Beste zu sein. Andere sehr ehrgeizige Sonnenzeichen, wie beispielsweise der Steinbock, drängen ebenso unaufhaltsam an die Spitze. Sie denken nur in ganz anderen Zeitbegriffen. Der Steinbock plant und lernt und arbeitet jahrelang an seinem Erfolg. Ein echter Widder dagegen zweifelt keinen Augenblick daran, es in wenigen Wochen zu schaffen. Geduld gehört nicht zu seinen Stärken. Er ist mutiger als die meisten anderen, doch vielleicht auch flüchtig.

Humpy Koneru ist die derzeit beste Widder Spielerin | Foto: David Llada / FIDE

Es heißt, Widder wären die besten Soldaten, Generäle, Heerführer. Dicht gefolgt, nebenbei, von den Skorpionen. (Der Unterschied zwischen den beiden besteht darin, dass es dem Widder Spaß macht, zu kämpfen, während der Skorpion es todernst meint.)

Widders bevorzugte Eroberungsform ist der Blitzkrieg, die hastige, unerwartete, überraschende Art. Nicht selten verwirrt er den Gegner dadurch, dass er ganz tollkühn voranschreitet, ohne groß auf Deckung zu achten. Er sieht sich selbst auf freiem Feld wie Wyatt Earp, als er der auf ihn schießenden Clanton-Bande entgegenrannte und wunderbarerweise nur sein langer Mantel von Kugeln durchlöchert wurde. So etwas entspricht viel mehr dem Widder-Naturell als jede Guerilla-Taktik. Er vertraut fast abergläubisch seiner Unverwundbarkeit.

Daniil Dubov ist fest entschlossen. | Foto: Niki Riga

Der Gegner zerbricht sich noch den Kopf darüber, wo hier eigentlich der Hinterhalt sein mag, und begreift zum Schluss vielleicht: Da war überhaupt keiner. Da hat nur einer ohne Rücksicht auf Verluste der einen oder anderen Figur, gewissermaßen mit dem Schwert zwischen den Zähnen, den Galopp über freies Gelände gewagt und hält nun die Dame in der Zange – jeder Logik zum Trotz.

Widder neigt viel weniger zu Raffinesse, als es den Anschein hat. Und in seiner Hast und Begeisterung kann er sogar gravierende Fehler machen, die Königssicherheit vernachlässigen oder vergessen und mitleidslos seine Bauern (vielleicht sogar die Leichtfiguren) opfern.

Typisch für echte Widder sind Knockout-Siege unter 20 Zügen. Sie schätzen die Erregung, das Risiko, ja, sogar die Gefahr und den schnellen Entschluss. Oft handeln sie eher instinktiv als wohlüberlegt – jedoch besitzen sie hervorragende Instinkte, auf die sie sich verlassen können. Da Langsamkeit sie langweilt, denken sie auch schnell. Manchmal zu schnell.

 

Der kreative und kämpferische Richard Rapport | Foto: Mark Livshitz (FIDE/ Worldchess)

Da liegt die Chance für den Gegner. Es kann durchaus passieren, dass so ein genialer, gewagter Zug ein wenig zu gewagt gewesen ist. Auf jeden Fall dürfte es sich lohnen, sich von der Eile nicht anstecken zu lassen, sondern zu prüfen, ob der Widder in seiner Brausewut nicht etwas Wesentliches übersehen hat.

Das erste Sonnenzeichen im Tierkreis neigt, ehrlich gesagt, zu Egoismus bis zur Egozentrik. Was bedeutet, das Talent, sich in den Gegner hineinzudenken, fehlt meistens. Weil er selbst nicht zu Fallen und Tricks neigt, vermutet er die nicht unbedingt beim Schachpartner.

Und falls der nicht zufällig selbst Widder ist (und deshalb nicht dagegen an kann), sei ihm überhaupt geraten, die Ruhe zu bewahren. Erstens, weil es eventuell wirklich – finde den Fehler – etwas zu entdecken gibt, was dem Blitzkrieger selber entgangen ist oder was er halt hat riskieren wollen. Zweitens, weil es einen Widder wütend macht, wenn man ihn bremst. Sein heißes Blut blubbert, sein Jähzorn wird schwer zu zügeln sein. Jetzt könnte er Patzen. Und wenn er nicht gut darin trainiert ist, sich zusammenzureißen, sogar das ganze Schachbrett umherschmeißen …

Viktor Kortchnoi hatte am Brett den ein oder anderen Wutausbruch | Foto: Rob Croes / Anefo

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Dagmar Seifert ist eine norddeutsche Journalistin, Autorin und Astrologin. Sie liebt Schach, ist jedoch keineswegs eine übertrieben gute Spielerin. Immerhin war sie diejenige, die es ChessBase-Mitarbeiter Arne Kähler beigebracht hat – als er sechs Jahre alt war …

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