
Alle Schwarz-Weiß-Fotos stammen vom Isländischen Schachverband Skáksamband Íslands.
Nach zehn Partien führte Fischer mit 6,5-3,5. Weltmeister Spassky hatte die erste Partie am Brett gewonnen, die zweite kampflos, aber aus den folgenden acht Partien hatte er nur 1,5 Punkte geholt - mit drei Remispartien. In seinem Buch On My Great Predecessors, Part 4 schreibt Garry Kasparov:
"Es ist interessant, dass niemand, soweit ich weiß, auf einen verblüffenden Zufall aufmerksam gemacht hat: zu diesem Zeitpunkt stand der Wettkampf 6,5-3,5 - wenn man Fischers kampflose Niederlage in der zweiten Partie nicht mitzählt, ist das genau das Ergebnis, mit dem Fischer im Kandidatenfinale gegen Petrosian gewonnen hat! Das heißt, wäre der Wettkampf wie im Kandidatenturnier nur über zwölf Partien gegangen, wäre Spassky bereits auf dem Heimweg gewesen ...
Aber danach verlief der Wettkampf ausgeglichen. Der Weltmeister wurde ruhiger und fing an, mit dem Mut der Verzweiflung zu kämpfen: in der 11. Partie vernichtete er seinen Gegner auf sensationelle Weise (das einzige Mal im Wettkampf, in dem Fischer das Risiko einging, eine Variante zu wiederholen, die vorher schon einmal auf dem Brett gestanden hatte (die 7. Partie war ebenfalls ein Sizilianer mit ...Dxb2), und in der zwölften Partie kam Spassky dann mit Schwarz zu einem mühelosen Remis."
In der Zeitschrift New in Chess, 6/2012, S.60-68, schrieb GM Lubomir Kavalek, der beim Wettkampf des Jahrhunderts als Journalist und in der zweiten Hälfte des Matches auch als Sekundant von Fischer in Reykjavik vor Ort war:
"Die [elfte] Partie weckte Erinnerungen an meine erste Partie gegen Fischer, aus dem Interzonenturnier 1967 in Sousse, das Fischer bekanntlich nicht zu Ende gespielt hatte, obwohl er in Führung lag. In Sousse gab er vor seinem Turnierabbruch nur drei Remis ab und gewann sieben Partien. Wir spielten die Bauernraubvariante im Najdorf-Sizilianer, in der ich angesichts einer Neuerung Fischers zusätlich noch einen vergifteten Springer investierte. Das löste einen neuen Trend aus und seitdem wurde der Springer auf ganz unterschiedliche Weise geopfert. Bobby nahm den Springer mit Genuss, aber leistete sich danach einen einzigen Fehlgriff und musste im unwegsamen Gelände einen schwer zu sehenden Ausweg finden, um sich ins Remis zu retten. ‘Du hast einen großen Beitrag zur Eröffnungstheorie geleistet’, war Larsens Kommentar zur Partie.
Aber ich sah auch die zwei Seiten Fischers. Während der Partie verlangte Bobby nach mehr Licht und irgendwann spielten wir dann an einem anderem Brett, das näher am Fenster war. Es fühlte sich an, als ob wir in einem Fernsehstudio spielen würden, aber das reichte ihm nicht. Zwei weitere Lampen wurden gebracht, und das war, als würde man in der Mittagssonne am Strand Schach spielen."
In Chess Life & Review (Oktober 1972) schrieb Robert Byrne:
Mit drei Punkten Rückstand schlug Boris sofort zurück und ließ sich auf die Bauernraubvariante im Najdorf-Sizilianer ein, die ihm in Partie 7 eine Verluststellung gebracht hatte, die er nur durch Fischers sorgloses Spiel im Endspiel Remis halten konnte. In Partie 11 verbesserte er sein Spiel mit 10.Lxf6 und 11.Le2, was zu einem sehr viel günstigeren System führte als 10.Ld3 in Partie 7. Aber es war sein spektakulärer Zug 14.Sb1, der die Partie zu etwas Besonderem machte. Gligoric, der diesem Zug sieben Ausrufezeichen gegeben hatte (bei seinen Anmerkungen im Wettkampfbulletin gab er dem Zug nur zwei.—Red.], stürzte ins Pressezentrum und rief: "Das ändert die ganze 'Bauernraubvariante'. Phantastisch! Da gibt es kein Gegenmittel." Dessen ungeachtet war das letzte Wort noch nicht gesprochen. So sind Bent Larsen und Fridrik Olafsson nicht überzeugt, dass der Zug den Erfolg verdient hatte, der ihm vergönnt war.
Aber Bobby geriet nach Spasskys Zug schnell auf Abwege und opferte einen Bauern, den Spassky annahm, wonach er sofort eine überwältigende Stellung erhielt. Fischer erkannte, dass es keine Möglichkeit gab, seine Stellung langfristig zu reparieren, und startete einen verzweifelten, ungesunden Angriff, den Boris mühelos parierte, wobei er die schwarze Dame für eine Leichtfigur gewann und kurzen Prozess mit den Überresten der Stellung von Fischer machte.
Byrne: "Vor dieser Partie hatte Boris in neun Runden keinen einzigen Punkt am Brett erzielt. Wird dieser Sieg seine Kampfmoral so sehr stärken, dass er einen ernsthaften Versuch unternehmen kann, ins Match zurückzukommen? Wir werden es bald wissen."
In der Chess Life & Review Ausgabe vom November 1972, S. 683, schrieb GM Robert Byrne:
Als Antwort auf die vernichtende Niederlage, die seine Bauernraubvariante durch Spassky in der elften Partie erlitten hatte, unternahm Fischer einen trotzigen Versuch, den Punkt in der zwölften Partie zurückzuholen. Wie in der sechsten Partie wurde Fischers 1.c4 zu einem Abgelehnten Damengambit, aber eingedenk der Katastrophe, die seiner Tartakower-Variante widerfahren war, wich Spassky im 7. Zug auf die alte Orthodoxe Verteidigung aus, die selten zu sehen war, seit sich Capablanca und Stahlberg vor mehr als 40 Jahren über ihre Feinheiten stritten.
Obwohl Bobby im frühen Mittelspiel zu leichtem Vorteil kam, fand er keinen Weg, den Vorteil zu vergrößern, auch nicht mit dem Läuferpaar. Nachdem er auf das starke 25.De2 verzichtet hatte, geriet er allmählich in Schwierigkeiten, die durch einen Fehler im 35. Zug verstärkt wurden. Aber Boris übersah eine gute Möglichkeit, auf Gewinn zu spielen, und wählte stattdessen Routinezüge und hielt die Stellung ungefähr im Gleichgewicht. Kurz nach Wiederaufnahme der Hängepartie zerstörte Boris' genaue Verteidigung jedwede Möglichkeit, die es gegeben haben könnte, irgendwelche Fortschritte zu erzielen und man hätte sich auf Remis einigen können. Trotzdem spielte Fischer verbissen weiter, bis er schließlich einen Bauern in einer Stellung mit ungleichfarbigen Läufern verlor. Das überzeugte ihn schließlich, dass die Partie wirklich remis war.
Nach dem Remis in der zwölften Partie stand es jetzt nur noch 7-5 für Fischer. Spassky hatte zurückgeschlagen und der Wettkampf war wieder spannend geworden.
Vor 45 Jahren – Bobby Fischer in Island (1)
In der letzen Juniwoche 1972 war die Schachwelt im Aufruhr. Der Weltmeisterschaftskampf zwischen Titelverteidiger Boris Spassky und Herausforderer Bobby Fischer sollte am 1. Juli in Reykjavik beginnen. Aber von Fischer war in der isländischen Hauptstadt nichts zu sehen. Die Eröffnungsfeier fand ohne ihn statt und die 1. Partie, die am 2. Juli gespielt werden sollte, wurde verschoben. Doch in den frühen Morgenstunden des 4. Juli traf Fischer schließlich in Reykjavik ein. Frederic Friedel berichtet.
Vor 45 Jahren – Bobby Fischer in Island (2)
Das legendäre "Match des Jahrhunderts" zwischen Boris Spassky und Bobby Fischer wurde in der Laugardalshöllin in Reykjavik gespielt. Dies ist Islands größte Sportarena, 5.500 Zuschauer haben hier Platz. Auch Konzerte finden hier statt - Led Zeppelin, Leonard Cohen und David Bowie haben hier schon gespielt. 45 Jahre nach dem Spassky-Fischer Spektakel besuchte Frederic Friedel die Laugardalshöllin und hat ein paar Schätze entdeckt.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (3)
Am 11. Juli 1972 begann das legendäre "Match des Jahrhunderts" zwischen Boris Spassky und Bobby Fischer endlich. Doch Fischer kam zu spät zur ersten Partie, der Straßenverkehr hatte ihn aufgehalten. Fischer hatte in der ersten Partie Schwarz und spielte zur allgemeinen Überraschung nicht wie meist Grünfeld oder Königsindisch, sondern Nimzo-Indisch. Die Partie verlief in ruhigen Bahnen und die meisten Experten rechneten mit einem Remis. Doch dann, im 29. Zug, nahm Fischer einen vergifteten Bauern. "Ein Zug und wir machen in der ganzen Welt Schlagzeilen!", kommentierte einer der Organisatoren glücklich.
Vor 45 Jahren – Bobby Fischer in Island (4)
Bobby Fischer, Herausforderer und Favorit im WM-Kampf gegen Boris Spassky in Reykjavik 1972, verlor die erste Wettkampfpartie auf dramatische Weise. Fischer erklärte, ihn hätten die Kameras gestört. Zur zweiten Partie trat der Amerikaner aus Protest nicht an und verlor kampflos. Damit lag er im Wettkampf 0-2 zurück. Fischer hatte schon einen Rückflug nach New York gebucht, aber spielte die dritte Partie dann doch – in einem Raum hinter der Bühne!
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (5)
Nach drei Partien stand es im Match des Jahrhunderts 2:1 für den amtierenden Weltmeister. In Partie vier spielte Spassky eine gut vorbereitete Variante des Sizilianers und erhielt starken Angriff. Fischer verteidigte sich zäh und die Partie endete mit Remis. Dann folgte eine Schlüsselpartie, über die GM Robert Byrne, US-Meister 1972 und Korrespondent der New York Times und Chess Life, berichtet hat. In Reykjavik verfolgte Schachenthusiast Lawrence Stevens aus Kalifornien die Partien besonders aufmerksam: er schrieb per Hand auf, wie viel Bedenkzeit die Spieler für jeden Zug verbraucht hatten.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (6)
Im sechsten Teil unserer Serie schauen wir uns an, was beim Wettkampf des Jahrhunderts Fischer gegen Spassky 1972 in Reykjavik hinter den Kulissen geschah. Spassky wurde von seinen Sekundanten umsorgt und von den sowjetischen Autoritäten unter Druck gesetzt. Geholfen hat es ihm nicht. Ein schwerer Schlag war Spasskys Niederlage in der sechsten Partie. Fischer spielte zum ersten Mal in seinem Leben Damengambit mit Weiß, Spassky konnte oder wollte sich nicht an seine Vorbereitung erinnern und Fischer gewann eine Glanzpartie.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (7)
Boris Spassky startete mit einer 2-0 Führung in den "Wettkampf des Jahrhunderts" gegen Bobby Fischer in Reykjavik 1972. Aber dann schlug Fischer zurück: aus den nächsten acht Partien holte er 6,5 Punkte und führte so nach zehn Partien mit 6,5-3,5. Die Partien 8, 9 und 10 hatten viele dramatische Momente.