Kortschnoi begann das Turnier mit acht Siegen in Folge, eine solche Siegesserie ist vor und nach ihm keinem anderen Spieler in Wijk geglückt. Er probierte mit Weiß und mit Schwarz eine ganze Reihe von Eröffnungen aus, er gewann gleichstehende Stellungen im Endspiel, glänzte durch überraschende taktische Einfälle und setzte seine Gegner immer wieder strategisch und positionell unter Druck.
Kortschnoi in Wijk aan Zee, Januar 1968. Foto: J. de Nijs, Anefo
Ein Beispiel für Kortschnois Hartnäckigkeit und seinen Siegeswillen ist seine Partie aus der ersten Runde gegen den bulgarischen Großmeister Nikola Padevsky, den er in einem ausgeglichenen Mittelspiel mit endlosen Damenmanövern immer wieder vor Probleme stellte. Irgendwann verlor Padevsky dann die Geduld und tauschte die Damen, wonach er in einem etwas schlechteren Endspiel landete, das Kortschnoi nach 109 Zügen schließlich gewinnen konnte.
Sein Endspielkönnen und seine Bereitschaft, auch ausgeglichene Stellungen auf Gewinn zu spielen, brachten Kortschnoi auch im weiteren Verlauf des Turniers Punkte ein. Zum Beispiel in Runde 2 gegen Alexander Matanovic...
...oder in Runde 4 gegen Borislav Ivkov:
Auch Ex-Weltmeister Mihail Tal, einen seiner Hauptkonkurrenten, besiegte Kortschnoi im Endspiel:
Kortschnoi (links) während der Partie gegen Tal | Fotos: J. de Nijs / ANEFO, via http://nationaalarchief.nl, Quelle: Twitteraccount Douglas Griffin
Die Elo-Zahlen hat der Weltschachverband FIDE erst 1970 eingeführt und so gab es 1968 noch keine offizielle Weltrangliste, aber laut den historischen Elo-Zahlen, die Jeff Sonas auf der chessmetrics Seite errechnet hat, lag Kortschnoi im Januar 1968, bei Beginn des Turniers, auf Rang 2 der Weltrangliste, hinter Bobby Fischer, aber vor Tal, dem kommenden Weltmeister Boris Spassky und dem amtierenden Weltmeister Tigran Petrosian.
Ein halbes Jahr später, im Halbfinale der Kandidatenwettkämpfe, sollte Kortschnoi wieder auf Tal treffen. Diesen Wettkampf entschied Kortschnoi mit 5,5:4,5 für sich, doch danach traf er im September 1968 im Finale der Kandidatenwettkämpfe auf seinen alten Rivalen Boris Spassky, gegen den er klar mit 3,5:6,5 verlor. Spassky gewann im Anschluss im WM-Kampf 1969 auch noch gegen Petrosian und wurde zum 10. Weltmeister der Schachgeschichte. Kortschnoi hingegen musste bis 1978 warten, bis er endlich um die Weltmeisterschaft spielen konnte. In einem dramatischen und skandalumwitterten Wettkampf in Baguio City verlor er dann knapp mit 5-6 (Remispartien wurden nicht gezählt) gegen Anatoly Karpov.
Sein Blick für dynamische Möglichkeiten und überraschende taktische Möglichkeiten bewies Kortschnoi in Wijk unter anderem gegen Hans Ree und Karaklajic.
Seinen ersten halben Punkt gab Kortschnoi in Runde 9 gegen Jan Hein Donner ab, gegen den er in wenigen Zügen Remis vereinbarte. Nach zwei weiteren Siegen in den Runden 10 und 11 lag Kortschnoi nach 11 Runden mit 10,5 Punkten nicht weniger als 4 Punkte vor seinen engsten Verfolgern. Doch in der 12. Runde kam Sand ins Getriebe, denn in einem Anfall von Schachblindheit stellte Kortschnoi in folgender Stellung gegen Lajos Portisch eine Figur ein.
In dieser Stellung spielte Kortschnoi 13.Sd5? (Nach 13.De2 steht Weiß klar besser), was nach 13...Lxd5 14.exd5 g3! eine Figur verliert. Kortschnoi spielte noch eine Weile weiter, bis er im 32. Zug schließlich aufgab.
Wie Kortschnoi in seiner Autobiographie „Mein Leben für das Schach“ schreibt, wurde „das Turnier danach uninteressant für mich, und ich gab die restlichen Partien ohne Kampf remis“. Viktor Kortschnoi, Mein Leben für das Schach, Edition Olms, 2004, S. 65). Dennoch lag er am Ende ganze drei Punkte vor Hort, Portisch und Tal.
Tabelle
In ihrer März-Ausgabe von 1968 verglich die Deutsche Schachzeitung diesen Sieg mit den größten Erfolgen Alexander Aljechins:
„Man muß schon lange zurückgehen in der Schachgeschichte, um eine ähnlich phänomenale Leistung zu entdecken, wie sie jetzt Kortschnoj vollbrachte. Wir denken da an Aljechins Glanzsiege in San Remo 1930 (3,5 Punkte Vorsprung) und Veldes 1931 (5,5 Punkte Vorsprung!). Als ein Zwischenstand in Wijk aan Zee bekannt wurde – nach der 11. Runde: Kortschnoj 10,5, als nächste Gheorghiu, Hort und Tal je 6,5 –, glaubten viele Schachfreunde an Druckfehler in den Zeitungen und ungenügende Berichterstattung. Aber es stimmte! Kortschnoj hatte elf Großmeister sozusagen degradiert.“ Deutsche Schachzeitung, 3/1968, S. 83)
Tatsächlich beeindruckt Kortschnois kraftvolles Spiel 55 Jahre später immer noch.
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