01.09.2022 – Die Jungfrauen Nodirbek Abdussatarov, Kirill Shevchenko und Arjun Erigaisi bieten sich als neue Schachsuperstars an. Die Schachlegenden Johannes Zukertort, Adolf Albin, George Koltanowski und Friedrich Saemisch, haben ihren soll vor langer Zeit bereits erfüllt. Wenn in der Jungfrau geborene Schachspieler den perfekten Zug finden möchten, kann das durchaus fantastisch werden, wäre da nicht ein Zeitlimit vorhanden, was diesen Spaß verderben kann. | Foto: Pixabay
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Das Sternzeichen der aktuellen Wochen ist die Jungfrau
Wenn sich Ihr Schach-Partner auf den Stuhl gegenüber setzt und eine Weile herumruckelt, bis besagter Stuhl wirklich gerade steht – wenn er seine Figuren langsam und bedächtig aufbaut und so lange an ihnen schiebt, bis sie tatsächlich in der exakten Mitte ihres Feldes stehen - wenn er dann noch ein oder zwei Stäubchen, die Sie gar nicht bemerkt hatten, mit behutsamem Finger vom Brett entfernt: dann könnten Sie vermuten, dass er in der Jungfrau geboren wurde, also zwischen dem 23. August und dem 22. September. Vielleicht jedoch hat er auch nur einen Jungfrau-Aszendenten, mehrere starke Planeten in der Jungfrau oder eine Ansammlung von denen im sechsten Haus, das im Horoskop Jungfrau entspricht. Auf jeden Fall machen ihn die Sterne penibel.
Ein Jungfrau-Geborener fährt auf Ordnung, Sauberkeit und Struktur ab. Er will es gern richtig machen. Er ist leidenschaftlicher Perfektionist. Das Schachbrett gefällt ihm schon deswegen, weil es ein strukturiertes Muster aufweist. Geflochtene Korbwaren oder Schottenkaro kann er ebenfalls gut leiden, doch am meisten sagt ihm dieser zuverlässige Wechsel von Schwarz und Weiß zu, alle Quadrate genau gleich groß: herrlich!
Viele Jungfrau-Geborene tragen Brille. Nicht unbedingt, weil sie schlecht sehen. Aber eventuell wird ihre Sicht durch eine adäquate Linse noch um ein Spürchen perfekter?
Emil Sutovsky, der Generaldirektor des Internationalen Schachverbandes konnte 2012 eine Elozahl von über 2700 erreichen.
Wenn also alles in Reih und Glied steht, dann beginnt Jungfrau, nachzudenken. Es gibt zwei große Denker im Tierkreis, den Zwilling und die Jungfrau, beide von Merkur regiert. Beim Zwilling läuft das spielerischer, leichter – bei der Jungfrau ist es meistens eine toternste Sache. Geheimrat Goethe, *28. August, der gern mit seiner Mutter Schach spielte, erklärte, dieses Spiel sei ein "Probierstein des Gehirns".
Eventuell nimmt eine typische Jungfrau es manchmal derart ernst, dass sie vor lauter Denken nicht zum Zug kommt? Da wäre etwa Fritz Sämisch, *20. September, 1950 Großmeister und durchaus ein guter Blitzschach-Spieler, dem es trotzdem riesig schwer fiel, seine Bedenkzeit bei Turnieren richtig einzuteilen. 1938 in Prag konnte er sich einfach nicht mit sich selbst auf den besten 12. Zug einigen – er brütete zweieinhalb Stunden daran herum – und verlor schließlich, weil seine Zeit um war. Und 1969 verlor er in Büsum sämtliche Partien durch Überschreiten seiner Zeit.
Friedrich "Fritz" Sämisch war berühmt für seine häufige Zeitnot, aber auch für seine wunderschönen Partien!
Einer Jungfrau fällt selten zu wenig ein, manchmal jedoch leider zu viel. Und sie möchte ihn eben gern machen, den perfekten Zug …
Vielleicht könnte es ein Problem sein, dass Merkur weniger für das abstrakte Denken steht als vielmehr für das Verstehen durch Worte. Viele bekannte Jungfrau-Schachspieler nutzen diese Begabung, um sich zu artikulieren – und um zu formulieren.
Bereits Schachlegende Johannes Zukertort, * 7. September, (1886 erster offizieller Schach-Vizeweltmeister), übernahm in den 1860-er Jahren die Redaktion der Neuen Berliner Schachzeitung.
Schachmeister George Koltanowski, *17. September, schrieb die autobiographischen Bücher Adventures of a Chess Master und With the Chess Masters sowie wunderbare Anekdoten über Spieler und das Spiel, die Chessnicdotes. Nachdem er in die Vereinigten Staaten emigriert war, arbeitete er seit 1940 als Schach-Journalist. Er leitete mehr als ein halbes Jahrhundert lang die tägliche Schachecke des San Francisco Chronicle, insgesamt über 19.000 Artikel, gern auch mit Schachaufgaben. Damit war er der vermutlich produktivste Schachkolumnist aller Zeiten.
George Koltanowski wurde 97 Jahre alt und starb im Jahre 2000. | Foto: Chess Hall of Fame
Großmeister Georg Meier, *26. August und Großmeister Benjamin Finegold, * 6. September, zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr wortgewandt und frech twittern – sofern sie nicht gleich ihren eigenen YouTube-Kanal bedienen.
Großmeister Daniel King, *28. August und Großmeister Peter Leko, *8. September, sind gern gesehene Schachmoderatoren und waren sogar schon mal zusammen auf Sendung.
Die große Nachwuchs-Hoffnung Nodirbek Abdusattorov, * 18. September, hat das typische, durchgeistigt-sensible Jungfrau-Gesicht – aber! Er verfügt über ein sehr verschmitztes, etwas linksseitige Grinsen und er ist offenbar in der Lage, den Perfektionismus wünschenswert zu zügeln. Immerhin wurde er 2021 in Warschau zum jüngsten Schnellschachweltmeister aller Zeiten. Er denkt also offensichtlich nicht endlos über den perfekten Zug nach.
Der Olympiasieger von 2022 wird von vielen als zukünftiger Weltmeister gehandelt| Foto: Anna Shtourman / Mark Livshitz (FIDE)
Zwei Damen aus der Ukraine seien auch noch zu erwähnen: Sowohl Anna Uschenina, *30. August, als auch Mariya Muzychuk, *21. September, gewannen mit der Damenmannschaft Goldmedaillen in Chennai.
Mariya Muzychuk ist eine der stärksten, weiblichen Schachspielerinnen der Welt.| Foto aus dem Leopolis Hotel, Lviv, Ukraine von Vitaliy Hrabar
Was also wäre die beste Methode, mit einem Jungfrau-Gegner fertig zu werden?
Vielleicht genügt es, wenn man die eigenen Figuren ein wenig schlampig auf dem Brett verteilt, gerade eben noch im eigenen Feld – die Springer mit den Schnauzen bisschen nach links oder rechts. Es wird einen echten Jungfrau-Gegner zumindest aus der Fassung bringen, weil’s ihm die ganze Zeit in den Fingern zuckt, sie etwas korrekter zu arrangieren …
Wir haben bereits herausbekommen, dass in der Jungfrau geborene Schachspieler den perfekten Zug lieben. Was kann es also besseres geben als Schachstudien, die häufig nur einen direkten Weg zur Lösung haben? Anbei drei besondere Studien für Jungfrauen:
Dagmar SeifertDagmar Seifert ist eine norddeutsche Journalistin, Autorin und Astrologin. Sie liebt Schach, ist jedoch
keineswegs eine übertrieben gute Spielerin. Immerhin war sie diejenige, die es ChessBase-Mitarbeiter Arne Kähler beigebracht hat – als er sechs Jahre alt war …
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