Norway Chess, Rd. 6: Carlsens unglücklicher Läufer

von Marco Baldauf
03.06.2018 – Wesley So zeigte sich nach der Partie wie gewohnt bescheiden: er habe "Magnus an einem schlechten Tag erwischt", so das Fazit des US-Amerikaners, der heute zum ersten Mal in seiner Karriere den Weltmeister besiegen konnte. Carlsen fand heute nicht ins Spiel, eine besonders tragische Figur gab sein slawischer Läufer auf der Diagonale b1-h7 ab. Die weiteren Partien endeten allesamt Remis | Foto: Turnierseite

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Schnelle Remis für Caruana und Mamedyarov

Shak Mamedyarov hatte in seiner gestrigen Partie gegen Hikaru Nakamura ein Weiß verschenkt als der US-Amerikaner ihm in einer trendigen Variante des Nimzoinders den Weg wies und das Remis nach etwas über einer halben Stunde bereits im Dauerschach endete. Dementsprechend ausgeruht ging die aktuelle Nr. 3 der Welt in die heutige Partie. Gegen Anand griff er mit 3...g6 zu jener Nebenvariante des Spaniers, mit welcher er in der Auftaktrunde des Kandidatenturniers einen Sieg einfahren konnte. Anands Eröffnungskonzept dagegen überzeugte nicht, Mamedyarov glich problemlos aus und die Partie endete ohne größere Aufreger im Remis.

Shakriyar Mamedyarov | Foto: Turnierseite

Noch schneller als Mamedyarov konnte Fabiano Caruana seine heutige Aufgabe bewältigen. Diese lautete "Schwarz gegen Aronian". Im Normalfall ist dies alles andere als ein Spaziergang. Doch Caruana konnte zuletzt gute Ergebnisse gegen den Armenier erzielen, ihn allen voran in beiden Partien des Kandidatenturniers besiegen.

Fabiano Caruana: Selbstbewusst und ohne Probleme zum Remis | Foto: Turnierseite

Caruana wählte wie bereits in Berlin die Wiener Variante gegen Aronian. Riskant, denn Aronian gilt als einer der besten Kenner dieses scharfen Systems. Für Caruana war dies allerdings nicht Grund genug den Tanz noch einmal zu wagen. Aronian wählte heute allerdings eine grundsätzlich verschiedene Strategie als noch in Berlin. Aus der Eröffnung heraus strebte er ein Endspiel mit sehr kleinem Vorteil an. Jegliche Verlustgefahr war damit allerdings ausgeschalten. In Berlin brauchte Aronian dringend einen Sieg, riskierte zuerst viel, am Ende sogar alles und stand schließlich mit leeren Händen da.

Aronian kann Caruana mit risikolosem Spiel heute nicht in Bedrängnis bringen | Foto: Turnierseite

 

So 1-0 Carlsen

Wesley So sorgte für eine kleine Sensation. Magnus Carlsen spielt bis zur heutigen sechsten Runde ein großartiges Turnier, führte mit einem ganzen Zähler Vorsprung und es schien, als ob der Norweger dem ungefährdeten Turniersieg entgegensegeln würde. Zudem kam, dass Wesley So in seiner bisherigen Karriere Carlsen noch keine Niederlage zufügen konnte. Er spielte in der Vergangenheit oftmals zu risikoscheu um den Weltmeister in Bedrängnis bringen zu können. Heute lief jedoch vieles anders als gewohnt. Allein die Schlussstellung ist ein Diagramm wert: wann hat Carlsen schon einmal so gestanden?

 

So hat nur einen einzigen Bauern mehr, doch dieser macht das Rennen. Es folgt einfach 45.c7 nebst 46.Tb8 - Carlsens Gegenspiel in Form des a-Bauern ist zu langsam. Der Läufer auf h5 ist von den gegnerischen Bauern eingekesselt und im wahrsten Sinne des Wortes zur Randfigur verkommen.

Wesley So: "Habe Magnus heute an einem schlechten Tag erwischt." | Foto: Turnierseite

Opening package: 1.b3 and Black Secrets in the Modern Italian

Wesley So hat bei ChessBase 2 Eröffnungs-DVD veröffentlicht: 1.b3, der so genannte Nimzowitsch-Larsen-Angriff, aus weißer Sicht und seine Geheimnisse im modernen Italienisch (mit c3 und d3) aus schwarzer Sicht.

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So war sehr glücklich über den ersten Sieg gegen Carlsen. Dies schien für ihn eine größere Rolle zu spielen als die Tatsache, dass der Kampf um den Turniersieg nun wieder völlig offen ist. Carlsen führt zwar nach wie vor die Tabelle an, doch So liegt nunmehr einen halben Punkt dahinter und hat zudem eine Partie weniger gespielt.

Carlsen hatte in der Eröffnung auf Sos Abtauschvariante im Slawen etwas provokant reagiert und mit 6...a6 und 10...Sd7 die prinzipiellen Hauptvariante vermieden. Nakamuras Urteil dazu lautete, dass Carlsens Spiel in der Eröffnung an der Niederlage schuld sei.

Exchange on d5 in the Slav and Queen's Gambit

Diese DVD empfiehlt Weiß ein System gegen 1.d4 d5, das einfach zu lernen, aber überraschend effektiv ist. Weiß spielt stets 2.c4 und danach “wenn möglich“ 3.cxd5!

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So droht hier mit 14.b4 weitere Fortschritte am Damenflügel zu erzielen, Carlsen aktivierte daher mit 13...Sa5 seinen Springer. "Weiß ist jedoch schneller" (So) und nach 14.Sc5 konnte er bereits leichten Vorteil verbuchen. Ein seltener Fall gegen Carlsen, der in der Vergangenheit gegen Sos etwas zahmes Weißrepertoire immer ausgleichen konnte. Doch genau hier liegt vermutlich die Krux: Abtauschslawisch und ruhiges Spiel à la Wesley provozierte Carlsen zu sehr, der nach bisher starker Leistung mit sehr breiter Brust in die Partie ging.

Magnus Carlsen: eine provokante Eröffnungsbehandlung | Foto: Turnierseite

Das Schicksal begann seinen Lauf zu nehmen als Carlsens Läufer nach 18.f3 zurück nach g6 vertrieben wurde. Dieser Läufer - oftmals ein Ärgerniß für Anhänger der slawischen Verteidigung - sollte zu tragischen Figur verkommen. So schaffte es bald ihn mit e4 aus dem Spiel zu nehmen, später sollte er durch den Vorstoß des weißen f-Bauern bis f5 weiter eingeengt werden. Die Schlussstellung ist bester Beweis dafür, dass die Partie nicht rund lief für den stolzen Läufer.

 

Spätestens zehn Züge später, So hatte eben 28.e4 gespielt, war jedem in Stavanger klar, dass es um die Stellung ihres Lokalhelden heute nicht gut bestellt ist.

 

Der nächste Stoß ließ nicht lange auf sich warten. Nach 34. f5 war das Schicksal Carlsens besiegelt. Vachier-Lagrave und Nakamura kommentierten die Partie nach ihrer Pressekonferenz sehr nüchtern: die Stellung sei für Carlsen bereits verloren. Dies war nicht die Nachricht, welche sich Norwegerinnen und Norweger erhofft hatten.

 

Doch Nakamura und MVL sollten recht behalten. Nach 34.f5 folgte noch der Aufmarsch des h-Bauern und schließlich stürmte Sos g-Bauer noch bis nach g6. Danach war es dann endgültig vorbei.

Auftakt einer bemerkenswerten Partie, die der Weltmeister schnell abhaken muss | Foto: Turnierseite

Nakamura ½-½ Vachier-Lagrave

Nakamura mit kreativer Eröffnungsbehandlung, diese schlägt jedoch nicht durch. Ein Remis, mit dem beide gut leben können, auch wenn sie damit weiterhin ohne Sieg bleiben.

 

Grand Prix trifft Chamäleon

Diese DVD bietet Ihnen ein komplettes Weißrepertoire gegen die häufigste Entgegnung auf 1.e4, die Sizilianische Verteidigung.

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Maxime Vachier-Lagrave bleibt bei -1 und wird im Kampf um den Turniersieg keine große Rolle spielen | Foto: Turnierseite

Partien der Runden 1 bis 6

 

Tabelle

 

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Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

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