
In der Chess Life & Review Ausgabe vom November 1972 schrieb Anthony Saidy:
Der große Steinitz ist in Armut gestorben. Schlechter ist verhungert. Und selbst heute leiden die größten Talente, die nicht in "sozialistischen" Ländern leben, unter Unsicherheit, und sind meistens gezwungen, anderen Berufen nachzugehen. Aber Fischer spürte, dass Schach eine Kunst ist, dass Schach wichtig ist, er hielt es der alles verzehrenden Aufmerksamkeit eines Genies für wert. Der Lohn sollte entsprechend sein! Warum sollte ein Fischer weniger verdienen als ein Muhammad Ali? (Die Frage, ob überhaupt jemand so viel verdient, soll uns hier nicht kümmern.)
Bobby hatte viel für das Schach geopfert und Demütigungen ertragen. Am Vorabend des Wettkampfs, der ihm (seiner Meinung nach ein Jahrzehnt zu spät) den Titel bringen sollte, wollte er, dass der größere Teil der Gewinne an ihn (und an Spassky) gehen sollte und nicht an Geschäftsleute und Organisatoren. Denn wer spielte denn eigentlich wunderbares Schach und machte all das möglich?
Fischer war der einzige Superstar ohne bezahlten Agenten, Rechtsanwalt oder Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Er vertraute niemanden, Entscheidungen für ihn zu treffen, und ignorierte die Expertise von manchen, die hätten helfen können. Ohne offiziellen Repräsentanten geriet Fischer in den letzten paar Wochen vor dem offiziellen Wettkampfbeginn in die Isolation. In einem New Yorker Ferienort schaute er sich die Partien Spasskys an und wartete. Niemand handelte einen Vertrag mit ihm aus, und seine einzige "Vereinbarung" war ein Telegramm, das für ihn versandt wurde: Fischer würde spielen, "unter Protest."
Bobby Fischer hat eine seltene, unbeugsame Form der Integrität und die Überzeugung, er sei im Recht. Er wird von denen gemocht werden, die Ehrlichkeit höher bewerten als Diplomatie. ("Vorher nannten sie mich arrogant und eingebildet. Jetzt, nachdem ich all diese Wettkämpfe gewonnen habe, haben sie aufgehört. Es ist einfach offensichtlich, dass ich der Beste bis.")
Für Fischer war sein Status als bester Schachspieler der Welt offensichtlich, Wettkampf hin oder her. Und er sorgte dafür, dass seine Forderungen für die (ungeliebten) Organisatoren schwer zu erfüllen waren - am Ende zu schwer. Ich kann bezeugen, dass er überhaupt keine Angst vor Spassky hatte. Sein Gegner im "Nervenkrieg" war der Isländische Schachverband. Vielleicht symbolisierten er für ihn all die unsensiblen Organisatoren der Vergangenheit, die Top Stars die Bedingungen diktiert hatten. Schon wenn er nur da war, profitierten sie enorm—wie ein Geschäftsmann feststellte: "Dieser Wettkampf sorgt für Kopfschmerzen, aber er ist Millionen an Werbung für uns wert."
Am 11. August 1972 endete die Wiederaufnahme der 13. Partien mit einem Sieg für Fischer. Mit diesem Sieg führte Fischer wieder mit drei Punkten Vorsprung.
In Chess Life & Review schrieb Saidy: "Mit diesem Sieg hatte Bobby Fischer sechs Siege im Wettkampf erzielt, und bereits vor langer Zeit hatte Fischer empfohlen, dieses Kriterium als entscheidend in einem Wettkampf anzusehen. In den restlichen Partien des Wettkampfs schien er sich weniger anzustrengen, etwas zu entspannen—abgesehen von zunehmend lauter werdenden Beschwerden über den Lärm der Zuschauer und seiner Forderung, die erste Zuschauerreihe zu entfernen und einmal drohte er sogar, das Match abzubrechen. Die nächsten sieben Partien endeten alle Remis, wobei Spassky wiederholt eine leichte Initiative entfalten konnte, die zum Gewinn jedoch nicht reichte."
In New in Chess, 06/2012 schrieb GM Lubomir Kavalek, der in Reykjavik als Journalist und in der zweiten Hälfte des Wettkampfs als einer der Sekundanten von Fischer vor Ort war: "Die 13. Partie raubte beiden Spieler die Energie und gegenseitige Fehler schlichen sich in ihre Partien ein. Was sie auch machten, sie remisierten eine Partie nach der anderen. Bobby Fischer remisierte sieben Partien hintereinander! Das war fast so unglaublich, wie seine 6-0 Siege gegen Mark Taimanov und Bent Larsen in den Kandidatenwettkämpfen. 'Es wirkt, als ob Du den Weltmeistertitel bereits verteidigst,' neckte ich ihn. ‘Nun, ich habe einen schönen Vorsprung,’ antwortete er. ‘Tatsächlich liegt die Verantwortung bei Spassky, zu versuchen, auf Gewinn zu spielen. All diese Remispartien sind günstig für mich.’ Erschöpft kam er dem Wettkampfsieg Schritt für Schritt näher."
In Garry Kasparov On My Great Predecessors, Part 4 beschrieb der Autor die Situation nach der 13. Partie:
"Wahrscheinlich erkannte Spassky nach einer solchen Niederlage endgültig, dass ihm nicht länger vergönnt war, den Vorsprung aufzuholen. Der Herausforderer führte mit +3. Und obwohl die Wettkampfinitiative danach an Spassky überging, konnte er nicht gewinnen: die ganze Zeit fehlte ihm irgendeine Kleinigkeit. Augenscheinlich machte sich der psychologische Schlag bemerkbar, den er zu Beginn des Wettkampfs erlitten hatte. In der 14. Partie verdarb er die Dinge im Endspiel, in der 15. kam er zu 'einer strategisch gewonnenen Stellung, aber taktisch war er nicht auf der Höhe' (Bondarevsky), und in der 16. kam er in der Abtauschvariante im Spanier problemlos zu Ausgleich, aber Fischer konnte sich verteidigen...
Der Wettkampf näherte sich unerbittlich einer Entscheidung, aber trotz all seiner Anstrengungen war Spassky nicht in der Lage, den Rückstand zu verringern. 'In den letzten acht Partien hatte ich fast immer das Gefühl, dass Fischer wie ein großer Fisch in meinen Händen war,' klagte er nach dem Wettkampf, 'aber ein Fisch ist schlüpfrig und schwer zu halten und in bestimmten Momenten ließ ich ihn entschlüpfen. Und dann begann die psychologische Quälerei. Alles fing noch einmal von vorne an......' Er hatte guten Grund, niedergeschlagen zu sein."
Doch auch Fischer hatte seine Probleme. Er glaube offenbar, dass er den Wettkampf mit Leichtigkeit zum Sieg führen würde und der erbitterte Widerstand Spasskys war eine unangenehme Überraschung für ihn. Bobby wurde wieder nervös.
Robert Byrne | Foto: Burt Hochberg
Nach der dramatischen 13. Partie schrieb Robert Byrne aus Reykjavik:
"Der monumentale Kampf in der 13. Partie brachte beide Spieler aus dem Konzept. Auf Anraten des Wettkampfarztes Uifar Thordarsson konnte Spassky die 14. Partie vom Sonntag auf den Dienstag verschieben. Aber das war immer noch zu früh. Die Partie brachte eine Komödie der Irrungen, wobei Fischer als Erster einen Bauern einstellte, und Spassky das Kompliment und den Bauern sofort zurückgab ohne irgendetwas dafür zu erhalten. Nicht einmal diese robusten Schachkämpfer sind immun gegen Schachnerven. Durch ihre offensichtlichen Fehler schockiert und ernüchtert schafften sie es am Ende schließlich, die Partie ohne weitere Zwischenfälle zum Remis zu führen."
Hier sind seine Anmerkungen aus Chess Life and Review (November 1972, S. 686-687):
In Chess Life & Review, Dezember 1972, schrieb Robert Byrne:
"In der 15. Partie kehrte Fischer wieder zu seinem geliebten Najdorf-Sizilianer zurück, aber obwohl er der "Bauernraubvariante", die Spassky in Partie 11 zertrümmert hatte, auswich, geriet er trotzdem in Schwierigkeiten. Boris attackierte bereits im 12. Zug mit einer seiner vielen starken Anti-Najdorf-Waffen und setzte scharf fort, was zwei Züge später forciert zu Bauerngewinn führte und Bobby eine Verluststellung bescherte. Aber Boris spielte zu ungeduldig, weil er die Stellung schnell klären wollte, und schob seinen e-Bauern zu hastig nach vorne, was zu einem Wirbelwind von Komplikationen führte, aber auch den Sieg aus der Hand gab. Als Spassky das Remis verschmähte, das er haben konnte, inszenierte Fischer einen gefährlichen Angriff und nach einem weiteren Fehler Spasskys stand der Herausforderer auf Gewinn. Fischer hatte noch jede Menge Zeit auf der Uhr, aber spielte als ob es um die Weltmeisterschaft im Schnellschach ging und machte selber genügend Fehler, um Spassky das Remis zu garantieren."
Spassky entspannt sich während des Wettkampfs in Reykjavik | Foto: Skáksamband Íslands
Hier die Partie mit gekürzten Kommentaren von Robert Byrne.
Byrne: "Das hart umkämpfte Schach, das die beiden Spieler bislang kontinuierlich gezeigt hatten, verlangte seinen Tribut. Wie zwei mutige, aber angeschlagene Preisboxer versuchten Boris und Bobby weiter Schläge zu landen, aber trafen einfach nicht."
Am 18. August 1972 endete die 15. Partie mit Remis - Fischer führte weiter mit drei Punkten Vorsprung.
Vor 45 Jahren – Bobby Fischer in Island (1)
In der letzen Juniwoche 1972 war die Schachwelt im Aufruhr. Der Weltmeisterschaftskampf zwischen Titelverteidiger Boris Spassky und Herausforderer Bobby Fischer sollte am 1. Juli in Reykjavik beginnen. Aber von Fischer war in der isländischen Hauptstadt nichts zu sehen. Die Eröffnungsfeier fand ohne ihn statt und die 1. Partie, die am 2. Juli gespielt werden sollte, wurde verschoben. Doch in den frühen Morgenstunden des 4. Juli traf Fischer schließlich in Reykjavik ein. Frederic Friedel berichtet.
Vor 45 Jahren – Bobby Fischer in Island (2)
Das legendäre "Match des Jahrhunderts" zwischen Boris Spassky und Bobby Fischer wurde in der Laugardalshöllin in Reykjavik gespielt. Dies ist Islands größte Sportarena, 5.500 Zuschauer haben hier Platz. Auch Konzerte finden hier statt - Led Zeppelin, Leonard Cohen und David Bowie haben hier schon gespielt. 45 Jahre nach dem Spassky-Fischer Spektakel besuchte Frederic Friedel die Laugardalshöllin und hat ein paar Schätze entdeckt.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (3)
Am 11. Juli 1972 begann das legendäre "Match des Jahrhunderts" zwischen Boris Spassky und Bobby Fischer endlich. Doch Fischer kam zu spät zur ersten Partie, der Straßenverkehr hatte ihn aufgehalten. Fischer hatte in der ersten Partie Schwarz und spielte zur allgemeinen Überraschung nicht wie meist Grünfeld oder Königsindisch, sondern Nimzo-Indisch. Die Partie verlief in ruhigen Bahnen und die meisten Experten rechneten mit einem Remis. Doch dann, im 29. Zug, nahm Fischer einen vergifteten Bauern. "Ein Zug und wir machen in der ganzen Welt Schlagzeilen!", kommentierte einer der Organisatoren glücklich.
Vor 45 Jahren – Bobby Fischer in Island (4)
Bobby Fischer, Herausforderer und Favorit im WM-Kampf gegen Boris Spassky in Reykjavik 1972, verlor die erste Wettkampfpartie auf dramatische Weise. Fischer erklärte, ihn hätten die Kameras gestört. Zur zweiten Partie trat der Amerikaner aus Protest nicht an und verlor kampflos. Damit lag er im Wettkampf 0-2 zurück. Fischer hatte schon einen Rückflug nach New York gebucht, aber spielte die dritte Partie dann doch – in einem Raum hinter der Bühne!
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (5)
Nach drei Partien stand es im Match des Jahrhunderts 2:1 für den amtierenden Weltmeister. In Partie vier spielte Spassky eine gut vorbereitete Variante des Sizilianers und erhielt starken Angriff. Fischer verteidigte sich zäh und die Partie endete mit Remis. Dann folgte eine Schlüsselpartie, über die GM Robert Byrne, US-Meister 1972 und Korrespondent der New York Times und Chess Life, berichtet hat. In Reykjavik verfolgte Schachenthusiast Lawrence Stevens aus Kalifornien die Partien besonders aufmerksam: er schrieb per Hand auf, wie viel Bedenkzeit die Spieler für jeden Zug verbraucht hatten.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (6)
Im sechsten Teil unserer Serie schauen wir uns an, was beim Wettkampf des Jahrhunderts Fischer gegen Spassky 1972 in Reykjavik hinter den Kulissen geschah. Spassky wurde von seinen Sekundanten umsorgt und von den sowjetischen Autoritäten unter Druck gesetzt. Geholfen hat es ihm nicht. Ein schwerer Schlag war Spasskys Niederlage in der sechsten Partie. Fischer spielte zum ersten Mal in seinem Leben Damengambit mit Weiß, Spassky konnte oder wollte sich nicht an seine Vorbereitung erinnern und Fischer gewann eine Glanzpartie.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (7)
Boris Spassky startete mit einer 2-0 Führung in den "Wettkampf des Jahrhunderts" gegen Bobby Fischer in Reykjavik 1972. Aber dann schlug Fischer zurück: aus den nächsten acht Partien holte er 6,5 Punkte und führte so nach zehn Partien mit 6,5-3,5. Die Partien 8, 9 und 10 hatten viele dramatische Momente.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (8)
Nach zehn Partien stand es im Weltmeisterschaftskampf 1972 in Reykjavik 6,5-3,5 für den Herausforderer Bobby Fischer. Der Wettkampf schien praktisch schon entschieden, denn Titelverteidiger Boris Spassky hatte aus den letzten acht Partien nur 1,5 Punkte geholt. Doch in der elften Partie schlug Spassky zurück und fügte Fischer in der Najdorf-Variante eine vernichtende Niederlage zu.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (9)
Die 13. Partie des Wettkampfs zwischen Bobby Fischer und Boris Spassky in Reykjavik 1972 war ein packender Kampf. Fischer verzichtete auf seinen geliebten Sizilianer und griff zur Aljechin-Verteidigung. Eine unangenehme Überraschung für Spassky und der Auftakt einer dramatischen Partie mit entscheidender Bedeutung für den Wettkampf.