Schacholympiade, Rd. 6: Polen schlägt die Ukraine

von Marco Baldauf
30.09.2018 – Vasily Ivanchuk ist und bleibt ein Phänomen, das nur schwer zu begreifen ist. Am Freitag brillierte er noch mit einer starken Leistung gegen Spanien, im heutigen Spitzenspiel gegen Polen lässt er sich in etwas über zwei Stunden vom Brett fegen. Jan-Krzysztof Duda steckt den Punkt ein und führt sein Team damit an die Tabellenspitze. Deutschland holt einen Punkt gegen Israel | Foto: Amruta Mokal

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Ruhetag in Batumi! Am gestrigen Samstag stand keine Runde auf dem Programm, stattdessen hieß es sich zu erholen und Kräfte tanken für die zweite Turnierhälfte. Am Freitagabend gab es die traditionelle Bermuda Party zu feiern, und ja, der eine oder die andere ließen es vermutlich ordentlich krachen.

Die Spitzenbegegnungen der 6. Runde

Heute ging es dann wieder an die Schachbretter. In der offenen Sektion hatten zum Beginn der zweiten Turnierhälfte vier Teams eine blütenreine Weste zu vorzuweisen. Das Team aus Aserbaidschan traf auf Tschechien - eine Begegnung mit dem spannenden Spitzenduell Mamedyarov vs Navara - und die bisher so stark aufspielenden Russland-Bezwinger Polen durften sich mit der Ukraine messen. Am dortigen Spitzenbrett traf der erst 20-jährige Nachwuchsstar Jan-Krzysztof Duda auf  den 49-jährigen Vasily Ivanchuk - Spitzenspieler der vergangenen 20 Jahre und für viele Fans nach wie vor einer der interessantesten und kreativsten Spieler in der Szene.

 

Dieser Sieg war der Auftakt für einen weiteren Erfolg für das polnische Team. Nach Russland, Frankreich wird mit der Ukraine die dritte große Hürde genommen.

Br. 11
 
  Poland (POL)
Elo - 6
 
  Ukraine (UKR)
Elo 2½:1½
2.1 GM
 
Duda, Jan-Krzysztof
2739 - GM
 
Ivanchuk, Vassily
2710 1 - 0
2.2 GM
 
Wojtaszek, Radoslaw
2727 - GM
 
Eljanov, Pavel
2703 ½ - ½
2.3 GM
 
Piorun, Kacper
2612 - GM
 
Kryvoruchko, Yuriy
2695 ½ - ½
2.4 GM
 
Dragun, Kamil
2568 - GM
 
Korobov, Anton
2685 ½ - ½

Einen sehr schönen Einblick in den Alltag, Zusammenhalt und schachlichen Qualitäten dieses Teams gab Radoslaw Wojtaszek:

Die zweite Spitzenbegegnung entschied Aserbaidschan relativ deutlich für sich. Angeführt von einem abermals grandios aufspielenden Shakriyar Mamedyarov bezwangen die Aseris das tschechische Team um David Navara mit 3-1.

 

Br. 4
 
  Azerbaijan (AZE)
Elo - 15
 
  Czech Republic (CZE)
Elo 3 : 1
1.1 GM
 
Mamedyarov, Shakhriyar
2820 - GM
 
Navara, David
2740 1 - 0
1.2 GM
 
Radjabov, Teimour
2751 - GM
 
Laznicka, Viktor
2662 ½ - ½
1.3 GM
 
Naiditsch, Arkadij
2721 - GM
 
Hracek, Zbynek
2557 1 - 0
1.4 GM
 
Mamedov, Rauf
2699 - GM
 
Stocek, Jiri
2574 ½ - ½

Deutschland mit spannendem 2-2 gegen Israel

Am dritten Tisch spielte bereits das deutsche Team. Nach Siegen über Ungarn und Moldawien wartete heute mit Israel kein absolutes Spitzenteam, aber doch eines aus dem erweiterten Favoritenfeld. In der 5. Runde holten die Israelis ein Unentschieden gegen Titelverteidiger USA und setzten damit ein deutliches Zeichen, dass mit ihnen zu rechnen ist. Eine spannende Mischung aus einerseits sehr erfahrenen Recken wie (Boris Gelfand, Emil Sutovsky und Ilja Smirin) und jungen hungrigen Spielern (Maxime Rodshtein und Tamir Nabaty) machen das israelische Team zu einem schweren Gegner. Das deutsche Team kam nicht optmimal aus den Startlöchern. Rasmus Svane wird von Grünfeld-Spezialist Sutovsky mit Königsindisch überrascht und kommt bereits im frühen Mittelspiel etwas unter Druck. Sutovsky hat freies Figurenspiel und Druck auf den schwarzen Feldern, Svane mit seinem unglücklich postiertem Sh3 zu kämpfen.

 

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Ebenso einen unguten Eindruck machte die Position des deutschen Spitzenspielers, Dieter-Liviu Nisipeanu. Mit Schwarz gegen Gelfand wählte er zuerst das solide Damengambit um dieses dann höchst unsolide zu behandeln. Nach einer eingeschlagenen Abwicklung hatte Nisipeanu einen Bauern weniger und zudem mit einer problematischen Struktur am Königsflügel zu kämpfen.

 

Während Svane im weiteren Verlauf relativ chancenlos unterging konnte Nisipeanu mit schwungvollem Spiel die Initiative erlangen. Wenige Züge später hatte sich die Lage am Spitzenbrett schon deutlich verbessert:

 

Zu diesem Zeitpunkt war der weiße Vorteil bereits verflogen. Gelfand bliebt nichts besseres, als mittels 26.Lc2 Figuren vom Brett zu nehmen und schon bald wurde im Turmendspiel "3 vs 2" das Remis unterzeichnet.

Matthias Blübaum hatte mit Weiß in einer solide angelegten Partie immer hauchdünnen Vorteil, zu mehr reichte es absehbar allerdings nie. So lag es einmal mehr an Daniel Fridman, der mit seiner bisherigen Performance ja bereits für Aufmerksamkeit sorgen konnte, den Mannschaftspunkt zu sichern.

 

Eine gute Performance des Teams, das diesen schweren Kampf unbeschadet übersteht.

 

Br. 10
 
  Israel (ISR)
Elo - 16
 
  Germany (GER)
Elo 2 : 2
3.1 GM
 
Gelfand, Boris
2703 - GM
 
Nisipeanu, Liviu-Dieter
2661 ½ - ½
3.2 GM
 
Rodshtein, Maxim
2674 - GM
 
Bluebaum, Matthias
2618 ½ - ½
3.3 GM
 
Nabaty, Tamir
2692 - GM
 
Fridman, Daniel
2591 0 - 1
3.4 GM
 
Sutovsky, Emil
2633 - GM
 
Svane, Rasmus
2595 1 - 0

USA, China und Armenien bleiben dran

In den weiteren Verfolgerbegegnungen schlägt die USA Bosnien und Herzegowina mit 3½-½ recht deutlich, ebenso hoch gewinnt Armenien gegen Mazedonien. Enger geht in der Begegnung zwischen China und Iran zu, welches der Sieger von 2014 für sich entscheiden kann. Im Favoritenduell kommt Russland nicht über ein 2-2 gegen Indien hinaus. Die Partie am Spitzenbrett zwischen Ian Nepomniachtchi und Vishy Anand war das heißeste Eisen im Feuer der Russen, doch der Ex-Weltmeister aus Indien konnte die Stellung nach und nach vereinfachen und so in den Remishafen segeln.

Fabiano Caruana und sein Team befinden sich weiterhin in der Erfolgsspur ... | Foto: Amruta Mokal

... während der heute zuschauende Sergey Karjakin Zeuge eines weiteren Punktverlust für sein Team wird | Foto: Amruta Mokal

Ergebnisse

6. Runde am 30.09.2018 um 15:00
Nr. Snr   Team Team Pkt. MP Erg. : Erg. MP Pkt. Team Team   Snr
1 4
 
AZE Azerbaijan 16 10 3 : 1 10 15 Czech Republic CZE
 
15
2 11
 
POL Poland 16 10 : 10 13½ Ukraine UKR
 
6
3 10
 
ISR Israel 16 9 2 : 2 9 14½ Germany GER
 
16
4 56
 
BIH Bosnia & Herzegovina 16 8 ½ : 9 14 United States of America USA
 
1
5 23
 
IRI Iran 15½ 8 : 8 14 China CHN
 
3
6 2
 
RUS Russia 14 8 2 : 2 8 15½ India IND
 
5
7 9
 
ENG England 12½ 8 2 : 2 8 15 France FRA
 
7
8 13
 
NED Netherlands 16½ 8 : 8 14½ Georgia 3 GEO3
 
65
9 38
 
NOR Norway 15½ 8 1 : 3 8 14 Croatia CRO
 
18
10 22
 
TUR Turkey 15 8 : 8 12½ Belarus BLR
 
17
11 43
 
MKD FYR Macedonia 15½ 8 ½ : 8 13 Armenia ARM
 
8
12 48
 
SVK Slovakia 14½ 8 : 8 12½ Egypt EGY
 
40

Partien

 

Stand

k. SNo   Team Team Games   +    =    -   TB1   TB2   TB3   TB4 
1 4
 
Azerbaijan AZE 6 6 0 0 12 135,0 19,0 44
2 11
 
Poland POL 6 6 0 0 12 122,5 18,5 40
3 1
 
United States of America USA 6 5 1 0 11 120,5 17,5 45
4 3
 
China CHN 6 5 0 1 10 114,0 16,5 43
5 13
 
Netherlands NED 6 5 0 1 10 111,0 19,0 40
6 10
 
Israel ISR 6 4 2 0 10 111,0 18,0 41
7 8
 
Armenia ARM 6 5 0 1 10 110,0 16,5 44
8 15
 
Czech Republic CZE 6 5 0 1 10 106,0 16,0 44
9 6
 
Ukraine UKR 6 5 0 1 10 106,0 15,0 44
10 16
 
Germany GER 6 4 2 0 10 105,0 16,5 43
11 18
 
Croatia CRO 6 5 0 1 10 95,0 17,0 37
12 17
 
Belarus BLR 6 5 0 1 10 89,5 15,0 39
13 40
 
Egypt EGY 6 5 0 1 10 87,0 15,0 38
14 5
 
India IND 6 4 1 1 9 115,0 17,5 43
15 7
 
France FRA 6 4 1 1 9 109,5 17,0 45

... 185 Mannschaften

 

Frauen Wettbewerb

Die USA kann ihre Führung mit einem 2-2 gegen Indien behaupten. Vier Weißsiege sind in diesem Kampf zu verzeichnen. Lange, ja sehr lange sah es danach aus, dass die Ukraine nach dem unnötigen Punktverlust gegen Georgien wieder in die Erfolgsspur zurückgefunden hat. Gegen Titelverteidiger China war der knappe, aber auch etwas glückliche Sieg fast schon unterschriftsreif. Mariya Muzychuk hatte ein eingangs wohl dynamisch ausgeglichenes Endspiel gewinnen können, während Anna Muzychuk und Anna Ushenina ihre schlechteren Endspiele beide zu halten schienen. Doch dann geschah nach sieben Stunden nervenaufreibender Spielzeit etwas, das auf diesem Niveau nicht passieren darf. Ushenina verlor nach langem Geknete und über 100 Zügen die Übersicht und verlor ein Turmendspiel "2 vs 1 auf einem Flügel" doch noch. Zuvor lies ihre Gegnerin Huang Qian im Mittelspiel eine große Chance liegen.

 

Auf Goldkurs? Anna Muzychuk und ihr Team lassen eine Big Point gegen China liegen | Foto: David Llada (Turnierseite)

Die Favoritinnen aus Russland straucheln hingegen weiter durch das Turnier. Zwar tat der Kantersieg in Runde 5 gegen Deutschland zweifelsohne gut, doch gegen Armenien zogen die Damen um Spitzenspielerin Alexandra Kosteniuk wieder den Kürzeren. 8-4 Punkte nach nach sechs Runden bedeuten Rang 24 - dies ist weit entfernt von den Ambitionen. Auch vom Ergebenis der deutschen Damen gibt es heute leider wenig positives zu berichten. 1½-2½ steht es am Ende der Begegnung mit Polen. In der Tabelle droht nun das Abrutschen ins Niemandsland.

Br. 9
 
  Germany (GER)
Elo - 27
 
  Greece (GRE)
Elo 1½:2½
21.1 IM
 
Paehtz, Elisabeth
2513 - WGM
 
Botsari, Anna-Maria
2252 1 - 0
21.2 WIM
 
Osmanodja, Filiz
2348 - IM
 
Tsolakidou, Stavroula
2393 0 - 1
21.3 WGM
 
Hoolt, Sarah
2355 - FM
 
Avramidou, Anastasia
2260 ½ - ½
21.4 WGM
 
Fuchs, Judith
2274 - WIM
 
Pavlidou, Ekaterini
2194 0 - 1

Partien

 

Stand

6. Runde am 30.09.2018 um 15:00
Nr. Snr   Team Team Pkt. MP Erg. : Erg. MP Pkt. Team Team   Snr
1 5
 
IND India 16½ 9 2 : 2 10 15½ United States of America USA
 
10
2 2
 
UKR Ukraine 15½ 9 2 : 2 9 15 China CHN
 
3
3 1
 
RUS Russia 15½ 8 1 : 3 9 14½ Armenia ARM
 
12
4 11
 
AZE Azerbaijan 15½ 8 : 8 14½ Latvia LAT
 
42
5 18
 
ITA Italy 14 8 3 : 1 8 15½ Cuba CUB
 
22
6 4
 
GEO1 Georgia 1 14½ 9 : 9 15½ Georgia 2 GEO2
 
14
7 34
 
LTU Lithuania 14 8 1 : 3 8 14½ Kazakhstan KAZ
 
8
8 40
 
CAN Canada 15 8 : 8 14 Uzbekistan UZB
 
31
9 26
 
CZE Czech Republic 15½ 8 1 : 3 8 14 Iran IRI
 
28
10 17
 
MGL Mongolia 13½ 8 : 8 14½ Romania ROU
 
20
11 16
 
NED Netherlands 14½ 8 3 : 1 8 14 Luxembourg LUX
 
51
12 33
 
AUS Australia 12½ 7 : 7 13 Serbia SRB
 
23

Links

 


Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

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